Bei Litzelstetten gibt es ihn, bei Emmingen-Liptingen und bei Gottmadingen auch – aber in Radolfzell wird er nicht kommen. Die Rede ist von einem Bestattungswald, also einem Wald, in dem Urnenbestattungen möglich sind. Im Rahmen des Friedhofsentwicklungsplanes, der 2019 in Radolfzell erstellt wurde, kam das Thema bereits auf, und in der Haushaltssitzung 2022 wurde es erneut angesprochen. Daraufhin arbeitete die Verwaltung die Möglichkeit eines solchen Bestattungswaldes in Radolfzell noch einmal auf – und hat Ergebnisse kürzlich im Gemeinderat vorgestellt. Das Ergebnis: Die Errichtung eines Bestattungswaldes habe gleich mehrere Nachteile.

Viele Nachteile absehbar

Vorgestellt wurden diese vom beratenden Ingenieur Klaus Güß. Zwar müsste vor der Erstellung eines Bestattungswaldkonzepts erst einmal geklärt werden, ob die Stadt die Trägerschaft und den Betrieb eines solchen selbst übernehmen will und ob der Bestattungswald von den kommunalen Friedhöfen getrennt werden soll oder nicht. So oder so war die Liste an Nachteilen, die der Ingenieur vorstellte, lang.

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Einmal sei da das Problem mit den Kosten: „Ein kommunaler Bestattungswald wird zu einer Kostensteigerung führen“, erklärte Güß – und zwar sowohl für die Stadt, als auch für Friedhofsnutzer. Denn die Erstellung des Friedhofs sowie der Betrieb müssen bezahlt werden.

„Da kann man nicht sagen, dass da nur ein Wald ist“, betonte Güß. Um einen Wald zu einem Bestattungswald zu machen, müssten unter anderem Totholz entfernt, Zuwege und Stellplätze ausgebaut sowie Sitzbänke und Anlagen für Verabschiedungszeremonien aufgebaut werden. Und um ihn zu unterhalten, müssten zum Beispiel Wege unterhalten, Müll beseitigt und der Wald kontrolliert und gepflegt werden.

Höhere Kosten auch für die Bürger

Wie Klaus Güß den Stadträten erläuterte, komme es auch auf den bestehenden kommunalen Friedhöfen zu Mehrbelastungen. Zum einen, weil durch die Abwanderung zum Bestattungswald Teilflächen der vorhandenen Friedhöfe brachfallen – allerdings sei das in dem Umfang, wie ein Bestattungswald nachgefragt wird, dann voraussichtlich so kleinteilig, dass die Leerflächen nicht zeitnah aus dem Friedhofszusammenhang ausgegliedert werden könnten. So entstünden Leerkosten und die müssten den Bürgern angelastet werden, die weiterhin die kommunalen Friedhöfe nutzen.

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Diese Bürger müssten außerdem mehr bezahlen, denn durch einen Bestattungswald würde sich die Anzahl der Gebührenzahlenden bei den kommunalen Friedhöfen verringern.

Wie würde man den Bestattungswald erreichen?

Das sind aber nicht die einzigen Nachteile, die es laut Klaus Güß bei einem Bestattungswald geben würde. Für den Standort in Böhringen im Gewann St. Ulrich hinter der St. Ulrich Kapelle seien zudem etwa zertrampelte Vegetation und Störungen durch Besucher zu erwarten.

In den Sitzungsunterlagen findet sich noch ein weiteres Problem: Denn ein Bestattungswald müsste für alle Nutzer gleich gut zu erreichen sein. „Die Anbindung eines Standortes St. Ulrich an den ÖPNV erscheint jedoch nahezu unmöglich, und selbst ein adäquater Ausbau für das Fahrrad wäre hier kostenintensiv“, heißt es in den Unterlagen.

Lieber Waldfriedhof statt Bestattungswald

Außerdem will Radolfzell auf den Waldfriedhof setzen, statt sich mit einem Bestattungswald die Chancen darauf zu verbauen: Laut den Sitzungsunterlagen ist die Lage und die Infrastruktur des Friedhofs ideal, „um auf der vorhandenen Friedhofsfläche das Angebot für Baum- und Naturbestattungen weiter auszubauen“.

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Der Friedhofsentwicklungsplan, der 2019 erstellt wurde, sehe mittel- bis langfristig „ein besonderes Potenzial in dem großen und ansprechenden Baumbestand auf dem Waldfriedhof, der in einigen Jahren gegebenenfalls für ein weitergehendes Konzept an waldähnlichen Einzelbaumgrabstätten, die der Qualität eines Bestattungswaldes noch näher kommen, als die bislang eingerichteten Baumgemeinschaftsgrabanlagen“. Würde ein Bestattungswald geschaffen werden, würde das eine entsprechende Entwicklung auf dem Waldfriedhof aber zunichte machen.

Die Baumbestattungen, die derzeit nicht nur auf dem Waldfriedhof, sondern auch auf jedem Ortsteilfriedhof möglich sind, kommen laut Ferdi Cihan, Leiter der Technischen Betriebe Radolfzell, gut an.

Gemeinderat erteilt Bestattungswald eine Abfuhr

Der Gemeinderat stimmte schlussendlich bei drei Enthaltungen dafür, von einem extra Bestattungswald in Radolfzell abzusehen. Gisela Kögel-Hensen (FGL) zeigte sich sogar erleichtert, dass das Thema einen Abschluss fand: „Wir sind froh, dass das Thema endlich mal vom Tisch ist“, sagte sie.