Radolfzell – Die eine Hand hält die von ihm gegründete Kirche, die andere ist zum Segnen erhoben: So gebärdet sich das Bildnis des Bischofs Ratold auf dem nach ihm benannten Brunnen auf dem Marktplatz. Die Figur hat das stolze Alter von 153 Jahren, war der Mittelpunkt eines 1863 erbauten Brunnens, stand aber zwischen 1962 und 1989 für rund 27 Jahre an der Hafenmole. Das Bildnis aus Sandstein, das heute an der Uferpromenade die Wasserprozession beim Hausherrenfest empfängt, war in der Zwischenzeit die Brunnenfigur.
Und so kam alles: „Am 14. November 1861 genehmigte der Bürgerausschuss den Plan des Stadtrats von Radolfzell zu Ehren des Stadtgründers Ratoldus auf dem Marktplatz einen Brunnen mit einem Standbild Ratolds zu erstellen. Das Gipsmodell hierzu fertigte der Konstanzer Bildhauermeister H. Bauer (für 400 Gulden)“, schrieb der pensionierte Oberlehrer Josef Zimmermann in einem Zeitungsartikel über den Brunnen vom 31. August 1962. Dieser erste Ratoldusbrunnen wurde am 10. August 1863 aufgestellt. Die Figur und das Brunnenbecken waren aus Eisen, gegossen von der Fürstlich Fürstenbergischen Amalienhütte bei Geisingen. Auch die Röhren sowie das Stadtwappen mit der Jahreszahl 1863 stammten von dort. Gesamtpreis: 1050 Gulden.
Der Brunnen aus Gußeisen litt im Laufe der Jahrzehnte stark unter dem Einfluss der Elemente. Immer wieder waren Ausbesserungen nötig. Zwei Gemeinderäte regten laut einem SÜDKURIER-Bericht vom 15. April 1961 bereits im Juni 1960 eine Neugestaltung an. Schließlich entschied der Gemeinderat im Oktober 1961 den Brunnen an gleicher Stelle durch einen neuen aus Stein zu ersetzen. Den Auftrag erhielt der Bildhauer Siegfried Fricker aus Jestetten, der unter anderem bereits das große Chorkreuz in St. Meinrad gestaltet hatte. Ein Artikel vom 7. April 1962 beschreibt den damals neuen Brunnen so: „Aus Stein, aus Schweizer Jura-Kalk (Laufener Kalkstein), der härter ist als deutscher Kalkstein, ist der Ratoldus, die beherrschende Figur des neuen Stadtbrunnens geschaffen. Roter Sandstein aus dem Maintal (Nähe Miltenberg) bildet das Beckenrund von rund vier Meter Durchmesser, Alpengranit liegt auf, zwischen ihm werden Blumen eingebettet werden. Zwei bronzene Fische, gleichfalls von Fricker entworfen, speien von diesem Rund Wasser zur Mitte; zwei Ausläufe, deren Krone einer Seerose gleichen, ziehen das Wasser ab. Die Figur des Bischofs Ratoldus von Verona, des Gründers der Stadt Radolfzell, misst zwei Meter, sie wird auf einem 80 Zentimeter hohen Sockel stehen. Es ist das herkömmliche Bild eines Bischofs mit Mitra, Hirtenstab und einem Modell der Kirche.“
Die Serie
Auf öffentlichen Plätzen oder an Gebäuden stehen in Radolfzell viele Brunnen. Die einen sind ganz neu, wie auf dem Gerberplatz, andere haben eine Jahrzehnte- oder sogar Jahrhunderte alte Geschichte wie der Ratoldusbrunnen oder der Forsteibrunnen. Anlässlich der Wiederentdeckung des kleinen Radolfsbrunnens auf der Mettnau nach rund 55 Jahren unter der Erde stellt der SÜDKURIER in loser Reihenfolge die Geschichte markanter und historischer Brunnen in der Stadt vor. Den Auftakt macht der Ratoldusbrunnen auf dem Marktplatz.
Nachdem sie 99 Jahre dort gestanden hatte, entfernten Mitarbeiter des Werkhofs die eiserne Ratoldusfigur am 10. April 1962 mithilfe eines Flaschenzug von seinem brüchigen Sockel und bauten auch den Brunnen ab. Die neue Brunnenanlage hatte ein Becken aus rotem Naturstein und zwei bronzene Fische, die Wasser spien. In der Mitte stand eine zwei Meter hohe Bischofsstatue mit Mitra, Hirtenstab und Gebetbuch aus Schweizer Jurakalkstein. In den Sockel dieser neuen Ratoldus-Statue wurde eine Urne eingemauert, die eine Urkunde, einen Anlageplan, Fotos des neuen und alten Brunnens, einen Stadtplan und einige Münzen enthielt. Die Einweihung mit kirchlicher Segnung durch den damaligen Stadtpfarrer Josef Zuber war am 20. August 1962.
Der eiserne Ratoldus bekam im September 1963 einen Platz an der Hafenmole, nachdem er zunächst mit Laken und Latten verhüllt unter dem Rundbogen der Stadtgartenbrücke gestanden hatte und dann restauriert wurde. Seine Blickrichtung war zur (Kloster)Insel Reichenau hin, wo er die Niederlassung und Gründung der Cella Ratoldus angeboten bekommen hatte. Diesen Platz behielt die Figur bis 1989, ehe sie auf den dritten Brunnen, der von einer Villinger Firma nach dem Modell des ursprünglichen ersten Brunnen aus Alu-Guss gestaltet wurde, zurückkehrte. Und noch heute steht. „ Der Steinbrunnen war nicht sehr beliebt,“ erinnert sich der frühere Stadtbaudirektor Ralf Nüsse. Es sei der allgemeine Wunsch gewesen, ihn zu ersetzen. Mithilfe von historischen Bildern der Radolfzeller Familie Moriell sei die historische Replik dann realisiert worden. Was aus der Urnen-Zeitkapsel im Statuen-Sockel des abgerissenen Brunnens wurde, weiß er nicht.
„Die ehemalige, verstorbene Kulturamtschefin hätte es gewusst“, sagt Nüsse. Katharina Maier, Leiterin des Stadtarchivs kann es auch nicht mit Sicherheit sagen, doch im Archiv ist die Kapsel nicht. „Üblicherweise werden solche Kapsel wieder eingemauert“, sagt sie.
Bei der Überarbeitung der Ratold-Eisenfigur nach ihrer langen Standzeit am Seeufer mit einem Sandstrahler kam die Inschrift des Herstellers „FF Amalienhaus“ zutage, wie der SÜDKURIER am 14. Juni 1989 berichtete. Die Kosten für den neuen Brunnen, die Überarbeitung der Figur und die Außenarbeiten im Brunnenbereich kosteten 141¦911 D-Mark. Der neue, alte Ratoldusbrunnen wurde am 15. Juli 1989 mit einer großen Feier, die auch die Neugestaltung des Marktplatzes beschloss, eingeweiht. Bei der Feier sagte der damalige Oberbürgermeister Günter Neurohr: „Wir freuen uns alle, dass wir dieses Kleinod im Zentrum unserer Stadt wieder errichten konnten.“
Der 1400 Kilogramm schwere Stein-Ratold, der 27 Jahre lang den Marktplatz überschaut hatte, wurde eingelagert, später restauriert und bekam im Juli 1997 seinen jetzigen Standort an der Promenade. Initiatoren waren laut Informationen des Radolfzeller Stadtarchivs Heinz Schmitt und Reiner Alferi. Mit dem Blick Richtung See grüßt die Statue dort seither Schiffe und die Wasserprozession beim Hausherrenfest.
Exklusiv: Ein Blick in unser Archiv - Artikel über die Brunnen aus den verschiedenen Jahren
Dateiname | : | Archivartikel vom 14.10.1961 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 7.4.1962 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 16.10.1963 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | 17.7.1989 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 14.6.1989 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 16.10.1963 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 31.8.1962 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 20.5.1962 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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Dateiname | : | Archivartikel vom 16.5.1962 |
Datum | : | 19.05.2016 |
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