NATALIE REISER

Der Schriftsteller Frido Mann verweilt des Öfteren für einige Tage in Radolfzell, denn er hat ein besonderes Anliegen in unserer Stadt: Der Lieblingsenkel von Thomas Mann möchte die spirituelle Bewegung, die im Radolfzeller Weltkloster angestoßen werden soll, unterstützen. Verbindende Dialoge zwischen Menschen verschiedener Religionen sowie auch von Personen, die sich eher der Wissenschaft oder Kunst verbunden fühlen, könnten zu einer Spiritualität führen, die nicht danach verlange, sich einer bestimmten Konfession anzuschließen, so Mann.

Frido Mann studierte Musik, katholische Theologie und Psychologie. Bereits in einem frühen Stadium seines Theologiestudiums habe er jedoch die Konzentration auf die Dogmatik abgelehnt, führt er aus. Ihm hätte die Beschäftigung mit Spiritualität, monastischen Traditionen und Mystikern gefehlt. Nachdem Religion nicht auch als Weg zur Selbstfindung und Empathie vermittelt worden sei, sei er „innerlich emigriert“. Durch die praktische Arbeit als Psychologe habe er jedoch wieder zu einer allmählichen Annäherung an die Religion gefunden. Denn der Kontakt mit psychisch schwer erkrankten Patienten und krebskranken Kindern habe ihn die Notwendigkeit von seelsorgerischer Tätigkeit erkennen lassen. Dies führte ihn zeitweilig zu Hans Küngs „Projekt Weltethos“. Doch schließlich habe er sich von der Bewegung distanziert. In seinen Augen ist sie zu intellektuell und ohne praktische Auswirkung.

Im Konzept des Weltklosters schließlich habe er etwas für ihn neuartig Eigenes entdeckt. Im Zentrum der Arbeit des Weltklosters stehen Dialoge zwischen Geistlichen und Mönchen verschiedener Glaubensrichtungen, erläuterte Alexandra Mann, Religionswissenschaftlerin und Vorsitzende des Trägervereins des Weltklosters. Die Gläubigen verbringen in der Regel einige Tage in monastischer Tradition. Sie tauschen sich aus, meditieren, beten und essen gemeinsam. Die gesammelten Gedanken werden in Abendveranstaltungen der Öffentlichkeit präsentiert und nach Wunsch diskutiert. Gerade die fernöstlichen Glaubensrichtungen zögen derzeit mehr Menschen an, stellte Alexandra Mann fest.

Frido Mann zeigte sich überzeugt von der pluralistischen Dialogstätte. Auch wenn „die Zeichen der Zeit auf Sturm“ stünden, erhofft er sich zumindest „friedliche Inseln“, die ihre Wirkung in die Bevölkerung erstrahlen lassen können. Eine ähnlich vereinigende Kraft könne von der Hinwendung zur Musik, Kunst oder auch Wissenschaft ausgehen. Und so nützte er seinen Aufenthalt in Radolfzell ebenfalls zu einer Lesung in der Buchhandlung zum Obertor, bei der er Passagen aus seinem Essay „An die Musik“ vortrug. Das autobiografische Werk bietet einen Überblick über die Musikgeschichte, der nicht den Anspruch der Vollständigkeit erhebt. Frido Mann reflektiert vielmehr sein Verhältnis zu dem Werk der großen Komponisten vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Immer wieder lässt Mann persönliche Erlebnisse, Gespräche und Anekdoten einfließen, in denen er schildert, wie sich sein musikalischer Kosmos im Laufe seines Lebens erweiterte. So erhält der Leser zugleich einen Blick in das Leben des heutigen Schriftstellers.

Frido Mann begann seine Lesung in der Buchhandlung, deren Eingangsraum bis ins letzte Eckchen zwischen den Buchreihen besetzt war, mit einem Text über Bachs Verhältnis zur Religion und beendete den Vortrag mit dem Bericht über das West-Eastern Divan Orchestra, einem in seinen Augen gelungenen Beispiel interreligiöser Zusammenarbeit. Denn in dieser Orchestervereinigung musizieren seit 1999 etwa zur Hälfte arabische und israelische Jungmusiker trotz der anhaltenden Spannungen im Nahen Osten.

Obwohl Nachwirkungen einer verklungenen Grippe die Lesung zwischenzeitlich mühsam werden ließen, hielt der Schriftsteller sein Publikum in Spannung und konnte am Ende ein lebhaftes Publikumsgespräch in Gang setzen.


Zur Person

Frido Mann wurde 1940 als Sohn Michael Manns, des jüngsten Sohnes Thomas Manns, und der Schweizerin Gret Moser geboren. Seit 1966 ist er mit Christine Heisenberg, einer Tochter des Physikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg verheiratet. Der studierte Psychologe und Theologe ist auch als freier Schriftsteller tätig.

Laut Frido Mann übernimmt das Weltkloster eine elementare Aufgabe in der Gesellschaft. In einem Schreiben erklärt er, warum.

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