Endlich Sonne! Gut gelaunt sitzen Andrea Mas, Paula Sanchez, Irene Leon und Ana Maria Gutierrez Gedial auf einer Wiese in der Chérisy und genießen die wärmenden Strahlen. „Das Wetter in Deutschland war bislang ziemlich schlecht“, sagt Andrea, 22 Jahre, aus Mallorca.

Regen und dunkle Wolken, nicht die besten Voraussetzungen für den Start in einem fremden Land. Doch die vier jungen Frauen fühlen sich inzwischen sehr wohl in Konstanz. Sie sind seit Januar 2023 hier und lernen das deutsche Bildungssystem kennen. Nach neun Monaten werden sie vollwertige Fachkräfte sein und dabei helfen, den akuten Personalmangel bei Erzieherinnen abzumildern.

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Wieso haben sie sich für Deutschland entschieden?

Warum aber verlassen junge Menschen ihre Heimat, um in der Fremde neu anzufangen? „Ich war auf der Suche nach Stabilität“, sagt Ana Maria, 30 Jahre, aus Asturien in Nordspanien. Der studierten Grundschullehrerin geht es wie vielen jungen Spaniern: „Die Arbeitslosenquote ist in dieser Altersspanne sehr hoch“, erklärt Liliana Kösler.

Die Soziologin ist Peruanerin und kümmert sich als Mentorin um die spanischen Erzieher, die nach Konstanz kommen. Das Projekt wird vom Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft in Kooperation mit der ZAV, der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, umgesetzt.

Auch Paula, 28 Jahre, aus Asturien und Irene, 25 Jahre, aus Málaga studierten Pädagogik in Spanien, konnten ihren Beruf aber nicht lange ausüben. Stattdessen arbeiteten sie als Verkäuferin, Sachbearbeiterin und im Personalwesen. Doch nicht nur die fehlende berufliche Perspektive trieb sie nach Deutschland.

„Die Arbeitslosenquote bei jungen Menschen ist in Spanien sehr hoch“, sagt Mentorin Liliana Kösler.
„Die Arbeitslosenquote bei jungen Menschen ist in Spanien sehr hoch“, sagt Mentorin Liliana Kösler. | Bild: Kirsten Astor

Und welche Unterschiede stellen die Spanierinnen fest?

So erzählt Andrea Mas: „Während meines Studiums wollte ich immer ins Ausland, aber dann kam die Corona-Pandemie. Jetzt habe ich diesen Weg gefunden, um neue Erfahrungen zu sammeln.“ Irene Leon lebte in Spanien noch bei ihren Eltern und möchte ein Stück Unabhängigkeit gewinnen sowie eine neue Sprache lernen. Und Paula Sanchez wollte neue pädagogische Methoden kennenlernen.

Denn die unterscheiden sich grundlegend vom spanischen Bildungssystem. „Bei uns ist eine Erzieherin für 20 Kinder zuständig, also für viel mehr als in Konstanz“, sagt Irene. „Und in Spanien sind die Kitas viel schulischer. Die Kinder dürfen nicht so viel spielen.“ Auch die altersgemischten Gruppen kannten die Spanierinnen vorher nicht. „Es ist schön zu sehen, wie hier die großen Kinder den kleineren helfen“, sagt Andrea.

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Paula ist aufgefallen, dass die deutschen Kinder viel selbstständiger sind als die spanischen. Kein Wunder: „In Deutschland gehen die Kinder mit sechs Jahren allein in die Schule“, sagt Andrea. „Bei uns ruft man die Polizei, wenn man die Kleinen allein laufen sieht. Die Eltern bringen ihre Kinder in die Schule, bis sie zwölf oder 13 Jahre alt sind.“

Und noch einen Unterschied zu ihrer Heimat haben die Spanierinnen festgestellt. „Deutsche Kinder spielen auch bei Regen im Garten, das finden wir seltsam“, sagt Irene und meint damit: Ungewohnt. Denn Ana Maria ergänzt: „Hier gibt es einen eigenen Anzug für Regen, wie toll!“

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Mit den Konstanzern kommen die Südländerinnen auch sehr gut klar. „Auf Mallorca ist das Bild von den Deutschen nicht sehr gut“, sagt Andrea und lacht. Doch hier angekommen, stellte sie fest: „Alle Menschen sind sehr nett und hilfsbereit, sie lächeln uns ständig an.“

Wie zur Bestätigung unterbricht ein junger Mann das Gespräch mit der Redakteurin. Er bietet Essen an, das ein paar Meter weiter auf einem Wagen bereitsteht, daneben Teller. Die internationale und studentische Gemeinschaft in der Chérisy kommt den Spanierinnen sehr entgegen.

Das haben sich die Spanierinnen von den Deutschen abgeschaut: Ein Putzplan für ihre Wohngemeinschaft.
Das haben sich die Spanierinnen von den Deutschen abgeschaut: Ein Putzplan für ihre Wohngemeinschaft. | Bild: Kirsten Astor

Letzter Feinschliff für die WG der Neu-Konstanzerinnen

„Wir haben alle Möbel für unsere Wohngemeinschaft selbst besorgt“, sagt Paula stolz. Über Nachbarn und Facebook kam alles Nötige zusammen, das meiste bekamen sie geschenkt. Die angehenden Erzieherinnen halten auch immer die Augen offen. So hat Irene in der Nähe ihres Zuhauses einen Staubsauger entdeckt, der zu verschenken war. Sie hat ihn gleich mit in die WG genommen.

Zwei Jahre sind die vier Frauen und sechs weitere Spanier zunächst in Konstanz – so lange gilt ihr erster Vertrag. „Wir haben diesen Zeitraum bewusst gewählt, damit sie sich alles in Ruhe anzuschauen und dann entscheiden können, ob sie auch länger bleiben wollen“, sagt Elena Moser vom städtischen Jugendamt.

Fast wie in der Heimat: Selbstgemachte Tortilla essen in der Wohngemeinschaft in der Chérisy. Fast alle Möbel haben die jungen Frauen ...
Fast wie in der Heimat: Selbstgemachte Tortilla essen in der Wohngemeinschaft in der Chérisy. Fast alle Möbel haben die jungen Frauen sich selbst organisiert, vieles wurde ihnen geschenkt. | Bild: Kirsten Astor

Mentorin Liliana Kösler findet das deutsch-spanische Programm einen Gewinn für alle Seiten: „Es ist eine tolle Chance für junge Spanier, die sich in Konstanz weiterentwickeln können“, sagt sie. „Gleichzeitig profitieren die Konstanzer Eltern und Erzieherinnen, weil es mehr Personal gibt. Und natürlich ist ihre Anwesenheit auch eine Bereicherung für die Kinder“, so Kösler. „Sie sehen junge Menschen, die immer lachen und Gelassenheit weitergeben.“