Jetzt kommt doch alles ganz anders. Der Neubau einer Zentrale für die Sparkasse Bodensee in Markdorf oder sonst irgendwo im Geschäftsgebiet zwischen Friedrichshafen, Konstanz und Überlingen ist vom Tisch. Statt dessen blicken die Verantwortlichen den Tatsachen ins Auge. In Friedrichshafen stehen zahlreiche Büros leer und sind auf die Schnelle auch nicht anders zu nutzen. In Konstanz dagegen gibt es viele Interessenten, die gerne mit in die Top-Immobilie an der Marktstätte einziehen wollen: als Hotelier, als Händler oder als Gastronom. In dieser Gemengelage hat der Verwaltungsrat eine gute Entscheidung getroffen. Denn die beiden großen Städte im Gebiet der Sparkasse Bodensee sind Gewinner im Standort-Poker.
Warum neu bauen, wenn Flächen im Übermaß vorhanden sind?
Die 300 Arbeitsplätze ohne direkten Kundenkontakt direkt am Friedrichshafener Stadtbahnhof zusammenzuziehen, ist eine Entscheidung, die auch den Mitarbeitern entgegenkommt. Sie haben künftig eine ordentliche bis gute Verkehrsanbindung an ihre Büros. Das hätte weder Markdorf noch Überlingen in dieser Form bieten können. Und überdies ist es nicht nur im Sinne der Sparkasse, sondern vor allem im Interesse ihrer Kunden, wenn sie die ihr gehörenden Flächen wirtschaftlich optimal nutzt. Das ist in Friedrichshafen eben nicht eine Vermietung, sondern eine Nutzung durch den Eigentümer selbst. Dass Erdgeschoss-Flächen für Handel oder Gastronomie abgegeben werden und die Sparkasse in den Standort Friedrichshafen zehn Millionen Euro investiert, ist ein weiteres Signal.
Die Markstätte 1 in Konstanz taugt für andere Nutzungen mindestens ebenso gut
Ganz anders die Lage in Konstanz. Hier hat die damals noch selbstständige Sparkasse einen Prachtbau in allerbester Lage gekauft und vor zwei Jahrzehnten mit enormem Aufwand umgebaut. Inzwischen hat sich das Bankgeschäft geändert – die Digitalisierung hat die Arbeitsabläufe auf den Kopf gestellt. Und: In Zeiten von Negativzinsen braucht eine Sparkasse auch nicht mehr in erster Linie einen repräsentativen Bau, sondern einen auf die Bedürfnisse zugeschnittenen Geschäftssitz. Vor diesem Hintergrund 20 Millionen Euro in einem Umbau zu investieren, ist nicht der falscheste Ansatz. In Konstanz rentiert sich so etwas, denn die Stadt ist nach wie vor ein sehr guter Standort für Hotellerie, Gastronomie und Handel. Für Konstanz ist das, verbunden mit der dauerhaften Präsenz eines Vorstandsmitglieds und einem vollständigen Angebot an die Kunden, das wichtigere Bekenntnis als der Verbleib von Jobs, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind.
Die Sparkassen-Kunden können erwarten, dass mit ihrem Geld sorgfältig gearbeitet wird
Wenn in Markdorf nun Enttäuschung aufkommt, ist nachvollziehbar. Nirgendwo im großen Geschäftsgebiet der bedeutenden Sparkasse waren die Hoffnungen auf eine spektakuläre Neuansiedlung größer. Wenn die zentralen Funktionen einer bedeutsamen Sparkasse im Land in der Gehrenbergstadt zusammengezogen worden wären, wäre dies ein ein echter Paukenschlag gewesen. Doch je länger die Experten rechneten, desto deutlicher wurde: Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Geld der Kunden wäre ein Neubau nicht gewesen, wenn an anderen Orten Flächen im Übermaß vorhanden sind.
Das sollten auch all jene akzeptieren, sie sich für ihren jeweiligen Standort Hoffnungen gemacht hatten, etwa in Meersburg oder Überlingen.
Als Spielball von lokalen Interessen geraten Sparkassen in Gefahr
Und genau deshalb weist der Vorgang auch über die Sparkasse Bodensee selbst weit hinaus. Landauf, landab haben die öffentlich getragenen Kreditinstitute in den vergangenen Jahrzehnten Infrastruktur aufgebaut, die angesichts der Marktlage in Frage stehen. Viel zu oft und viel zu lange waren die Sparkassen mit ihren kommunalpolitisch besetzten Verwaltungsräten auch ein Spielball lokaler Befindlichkeiten und Machtansprüche. Als die Erträge gut waren, konnten die Vorstände und Verwaltungsräte auch Wünsche erfüllen, die regionalpolitisch erwünscht, betriebswirtschaftlich aber zweifelhaft gewesen sein mögen. Die Sparkasse Bodensee konnte sich aus diesem Korsett jetzt befreien. Das ist bemerkenswert und dürfte über den Bodenseekreis und die Stadt Konstanz hinaus auch als Signal verstanden werden.
Paypal und Co.: Die echten Herausforderungen liegen in der Digitalisierung
Ihr Immobilienthema hat die Sparkasse Bodensee also zu einem großen Teil gelöst – weil Lothar Mayer als tüchtiger Vorstandsvorsitzender die Zeichen der Zeit erkannt und alle Akteure auf einen schwierigen Weg mitgenommen hat. Herausgekommen ist ein klassischer Kompromiss, in dem das Kirchturmdenken weitgehend ausgeblendet war. Das gibt Hoffnung, dass ein regional systemrelevantes Kreditinstitut auch für die künftigen Herausforderungen einen Weg finden wird. Und zu tun gibt es in der Tat noch einiges.
Niemand weiß, wie sich die Zinsen langfristig entwickeln, aber jeder weiß, in welcher Geschwindigkeit klassische Bankdienstleistungen zu branchenfremden Internetriesen wie Apple, Google oder Paypal abwandern. Und das sind Entwicklungen, gegen die Veränderungen wie die jetzt beschlossenen ziemlich klein wirken.