Konstanz – Ein fast 40 Grad heißer Tag in einem rumänischen Nationalpark mitten im Nirgendwo. Undurchdringliche Wälder wechseln sich mit grünen Wiesen ab. Ein Schotterweg zieht sich vom Anfang bis zum Ende des Parks. Wo ansonsten keine Menschenseele anzutreffen ist, durchreißen Motorengeräusche die Stille: Sieben Männer auf motorisierten Zweirädern bahnen sich den Weg durch die Wildnis. Deutsche und ein Schweizer Kennzeichen verraten: Sie sind weit von zu Hause entfernt.
Zwei der Fahrer sind Michael Primke und Sascha Landesberger. Der eine Bankkaufmann, der andere Zollbeamter. Zusammen mit den anderen fünf sind sie von Konstanz aus ins über 2000 Kilometer entfernte Konstanza in Rumänien gefahren. Elf Tage waren sie für den Hin- und Rückweg unterwegs: Dabei haben sie 6000 Kilometer zurückgelegt, davon 4600 Fahrkilometer und sechzig Stunden im Motorradsattel. Michael Primke ist normalerweise bei einer großen deutschen Bank beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Einschätzung, wie viel Risiko eine Investition in sich birgt. Gemäß seiner beruflichen Erfahrung hatte er für die Fahrt vorgesorgt: „Ich habe mir eine Trinkblase mit zwei Liter Fassungsvermögen gekauft. Ich ahnte schon vorher: Es wird heiß.“ Sascha Landsberger hingegen ist im Vergleich dazu weniger vorsichtig. Er pflege eine Vorliebe für Schotterstrecken, sagt er. Dementsprechend hatte er sich geländetaugliche Reifen zugelegt. Sascha Landesberger ist zudem Chefplaner der Männergruppe. Er hat den Weg durch den oben genannten Nationalpark gefunden: „Wohlgemerkt mit Google Earth wollte er einen Weg gefunden haben“, ergänzt Michael Primke und grinst. Das Computerprogramm kann einen virtuellen Globus darstellen.
Die Fahrt beginnt in Konstanz und führt nach Feldkirch. Anschließend geht es mit dem Autozug nach Wien. Die Männer verweilen nicht in der österreichischen Hauptstadt, sondern fahren ihrem ersten Etappenziel Timisoara in Rumänien entgegen. „In Rumänien haben wir schnell gelernt: Verkehrszeichen und Regeln haben für einheimische Fahrer nur empfehlenden Charakter. Da mussten wir uns in unserem Fahrstil erst mal anpassen“, erklärt Sascha Landesberger. Schnell bekommen die sieben Männer Ärger mit der Polizei, aber nicht wegen eventueller Verkehrssünden: In Timisoara wollen sie ein Erinnerungsfoto schießen. Dirk Fleck, einer der Fahrer, steuert sein Motorrad in der Innenstadt auf den zentralen Marktplatz. Leider eine Fußgängerzone. Schnell nähern sich Beamte. Er muss Strafe zahlen. Am Ende bekommen die Männer ihr Foto: mit den Ordnungshütern zusammen. Zu diesem Zeitpunkt ist es Tag zwei der Reise: Neun Tage liegen noch vor der Gruppe. Wie gehen denn ihre Frauen damit um, dass für die Motorradtour ein Teil des Jahresurlaubs drauf geht? „Bis zu einer Woche ist okay. Alles was darüber hinaus geht, wird zum Politikum und dann ist viel Diplomatie gefragt“, sagt Michael Primke lachend.
Auf dem Weg nach Petrosani verläuft die Fahrt durch den Nationalpark. „Saschas Weg war lediglich eine 80 Kilometer lange Schotterstrecke“, erklärt Michael Primke. Zum Glück fällt kein Regen: Nur zwei der sieben Maschinen haben in diesem Fall die richtige Bereifung. „Die Sonne hat erbarmungslos heruntergebrannt“, erzählt er weiter. Wäre Regen dann nicht die bessere Alternative? „Regen läuft in die Kleidung“, sagt Michael Primke. „Bei Hitze ist es nicht rutschig. Die Sicht ist besser“, ergänzt Sascha Landsberger. In Petrosani treffen die sieben Fahrer auf eine Gruppe britischer Motocrosser. „Die Engländer haben nicht schlecht geschaut, als wir ihnen gesagt haben, dass wir mit unseren schwer beladenen Maschinen den gleichen Weg wie sie durch den Park gefahren sind“, erzählt Michael Primke stolz. Prompt hat die Gruppe einen neuen Spitznamen: Tough Germans, was so viel wie harte Jungs aus Deutschland bedeutet. Dabei hat die Gruppe nicht nur mit äußeren Widrigkeiten zu kämpfen: „Das lange Sitzen auf dem Motorrad ist anstrengend. Jeder wird damit auf seine Weise fertig. Ich habe ein Gelsitzkissen. Bei einer Reise vor zwei Jahren hatte ein Kollege sogar Babypuder dabei“, verrät Michael Primke.
Nach Petrosani geht es über Bukarest nach Konstanza am Schwarzen Meer. Ein Bad nehmen die Motorradfahrer dort nicht. Das folgt erst am Goldstrand in Bulgarien: „Eine Touristenhochburg durch und durch. Souvenir-Stände soweit das Auge reicht und viele Diskotheken“, erzählt Michael Primke. Auf der Fahrt in den bulgarischen Ort Teteven passiert das Unvorhersehbare: Das Motorrad von Dirk Fleck geht kaputt. „Die Maschine ist 20 Jahre alt und hat bei uns schon so etwas wie Kultstatus“, erklärt der Bankkaufmann. Patrick Meierhans sei der Schraubergott der Gruppe und repariert das angeschlagene Gefährt. Michael Primke nimmt an dieser Stelle eins vorweg: „Ja, das Motorrad hat bis Deutschland durchgehalten.“ Nach Teteven geht es zurück nach Rumänien in den Ort Eselnita. Erstmals klettert das Thermometer über 40 Grad: Motorradfreundliche Temperaturen lägen bei 20 Grad, klärt Sascha Landesberger auf.
Diesen Temperaturen wollen die Reisenden auf ihrem Weg nach Belgrad entgehen und fahren früh los. In der serbischen Hauptstadt machen sie eine kleine Stadttour und stürzen sich anschließend ins Nachtleben. Am vorletzten Tag ihrer Reise fahren sie weiter bis Sarajevo in Bosnien-Herzegowina: „Die Stadt zog uns sofort in ihren Bann. Lange nach dem Bürgerkrieg in den 90er Jahren, pulsiert und lebt sie wieder“, sagt Michael Primke. Schließlich fährt die Gruppe nach Villach: Von dort geht es mit dem Autozug nach Feldkirch. Der Anfang der Reise ist gleichzeitig das Ende: Konstanz. Auf die Frage was denn so in den nächsten Jahren auf dem Plan steht, brauchen die Männer gar nicht lang überlegen. Sie haben mehr als eine Idee: „Die alte Silberroute in Spanien wäre sicherlich eine Herausforderung. Oder eine erneute Hitzeschlacht, diesmal in Marokko oder Algerien, würde uns reizen. Da schreckt uns nichts mehr“, sagt Michael Primke und ergänzt: „Das Ortseingangsschild von Casablanca wäre auf jeden Fall ein tolles Fotomotiv.“
.Die Fahrt auf den Motorrädern von Konstanz ins rumänische Konstanza und zurück in Bildern: www.sk.de/exklusiv
Hafenstadt Konstanza
Constanta (dt.: Konstanza) liegt im Osten von Rumänien, direkt am Schwarzen Meer. Konstanza hat 283.872 Einwohner und wurde im siebten Jahrhundert v. Chr. von den Griechen als Tomis gegründet. Unter dem römischen Kaiser Konstantin I. bekam die Stadt zu Ehren seiner Schwester den Namen Constantiana. Nach den Römern waren die Daker, die Skythen und die Kelten die Herren der Stadt. Ab 1413 gehörte sie zum Osmanischen Reich. 1878 ging die Stadt im Rahmen des Berliner Kongresses an Rumänien. (set)