Jakob Obergfell ist 18 Jahre alt und hat gerade erst das Abitur am Ellenrieder-Gymnasium abgelegt. Nun, einige Wochen später, steht er an der Tafel seiner ehemaligen Schule und unterrichtet selbst. Jakob ist einer der Mentoren, die in der letzten Sommerferienwoche ihr Wissen an jüngere Gymnasiasten weitergaben. Knapp 50 Unter- und Mittelstufenschüler des Ellenrieder-Gymnasiums wiederholten fünf Tage lang intensiv Schulstoff und bereiteten sich aufs neue Schuljahr vor.

Mantelfläche, Umfang und Pi: Das sind drei der Stichwörter, die Jakob mit seinen vier Schülern am letzten Ferientag durchnimmt. Heute stehen in seinem Mathekurs Quader, Prismen und Zylinder auf dem Programm. Aufmerksam lauschen Amelie, Clara, Maya und Nico, sie rechnen und stellen Fragen. Im Raum ist es erstaunlich ruhig, auch nach knapp 90 Minuten sind die Schüler konzentriert. Nur drei bis fünf Teilnehmer lernen gemeinsam in einem Kurs, sodass eine vertraute Atmosphäre entsteht. Das schätzt die 15-jährige Maya besonders: „Hier ist es entspannt, wir spüren nicht so viel Druck wie in der richtigen Schule“, sagt sie und lobt auch die jungen Dozenten: „Die Mentoren machen das super!“
Das bestätigt die ebenfalls 15-jährige Clara: „In der Ferienschule bekommen wir mehr individuelle Unterstützung und vieles verstehen wir hier besser, weil die Schülermentoren mit uns auf Augenhöhe sprechen. Sie können sich gut in uns hineinversetzen.“ Clara belegte Kurse in Mathe, Chemie und Physik und sagt erfreut: „Ich habe nun verstanden, was Wasserstoffbrücken und Elektronenwolken sind.“ Der gleichaltrige Nico möchte im neuen Schuljahr „durchstarten“ und wiederholte deshalb Mathe und Chemie. „Normalerweise würde ich jetzt noch schlafen“, sagt er. „Aber ich kann die Zeit sinnvoller nutzen. An das frühere Aufstehen habe ich mich durch die Ferienschule auch wieder gewöhnt.“
Seit sechs Jahren besteht dieses Angebot am Ellenrieder-Gymnasium nun schon. Knapp 50 Teilnehmer sind dieses Jahr dabei, in 80 Kursen zu je 90 Minuten. Das alles erfordert viel organisatorischen Aufwand. Im Gegensatz zur städtischen Sommerschule arbeiten hier alle Kräfte ehrenamtlich. Sie investieren viele Stunden ihrer Freizeit, suchen nach Mentoren, teilen Kurse ein, erstellen Stundenpläne und sind auch vor Ort fast ganztags im Einsatz. Jedes Jahr gehen Eltern vorher in die Bibliothek, studieren die aktuellen Lehrbücher und packen den Stoff eines ganzen Schuljahrs in fünf Lerntage – und das gleich für sechs verschiedene Fächer und fünf verschiedene Klassenstufen. „Das ist viel Arbeit“, sagt Dorothea Maier-Zepf, eine der Hauptorganisatorinnen.

Ein Ellenrieder-Lehrer und drei Mütter übernehmen den Löwenanteil und finden, dass sich der Einsatz lohnt: „Wir möchten, dass unsere Kinder entspannt ins neue Schuljahr starten können, denn durch das achtjährige Gymnasium lastet viel Druck auf ihnen“, so Maier-Zepf. „In der Ferienschule sehen wir, dass den Kindern das Lernen Spaß macht. Und die Familien sparen sich teure Nachhilfe.“
Auch die Schülermentoren profitierten: Sie wiederholen den Stoff für sich selbst und verdienen dabei sogar noch Geld. „Ich bin zum zweiten Mal als Mentor dabei und finde es schön, kurz nach dem Abi nochmal an meiner Schule zu sein“, sagt Jakob. „Mein Wissen gebe ich gern weiter, denn ich erinnere mich noch gut an meine eigene Schulzeit und daran, wie ich manches selbst gern erklärt bekommen hätte.“ Da Jakob vielleicht selbst einmal Lehrer werden will, ist die Ferienschule für ihn sogar eine Art Berufsorientierung.
Das Konzept ist so erfolgreich, dass regelmäßig Eltern anderer Gymnasien anfragen, ob auch ihr Kind die Ellenrieder-Ferienschule besuchen könne. „Das müssen wir leider ablehnen“, sagt Dorothea Maier-Zepf. Stefanie Göttlich, die die Ferienschule mit ins Leben rief, ergänzt: „Deshalb fänden wir es gut, wenn auch andere Gymnasien ein ähnliches Angebot machen würden. Wir Eltern können mehr als nur Kuchen backen.“ Maier-Zepf hat noch eine andere Idee: „Bei der Sommerschule, die die Stadt Konstanz anbietet, werden die Gymnasien leider ausgeklammert. Es wäre toll, wenn die Stadt auch eine Sommerschule für alle Konstanzer Gymnasien anbieten würde.“
Die beiden Sommerschulen
Während die Sommerschule der Stadt Konstanz zwei Wochen lang dauert und sich an Schüler der Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen mit besonderem Förderbedarf wendet, geht die Ellenrieder-Ferienschule nur eine Woche lang und ist für die eigenen Gymnasiasten gedacht. Auch sehr gute Schüler können teilnehmen. Die Stadt-Sommerschule arbeitet mit Lehrern, Studierenden und Freizeitpädagogen für Nachmittagsangebote, es gibt ein Coaching und Mittagessen – dank Kultusministerium und einer Stiftung ist dies für die Teilnehmer kostenlos. Am Ellenrieder-Gymnasium dagegen unterrichten Schüler, alles ist ehrenamtlich organisiert. Jeder Teilnehmer muss drei Kurseinheiten besuchen und bezahlt für 90 Minuten je fünf Euro. Dieses Geld erhalten die Schülermentoren. Ein warmes Essen und Sportangebote gibt es hier nicht, dafür mehr Fächer: Mathe, Physik, Chemie, Englisch, Französisch und Deutsch (bei der städtischen Sommerschule nur Mathe, Deutsch und Englisch). (kis)