Vielleicht kam der Einschlag genau zur rechten Zeit. Wenige Tage, bevor der Gemeinderat mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 ein Zahlenwerk über fast eine halbe Milliarde Euro verabschiedet, muss die Stadt an ein Unternehmen mehr als acht Millionen Euro Gewerbesteuer zurückzahlen. Dass solche Risiken bestehen, ist bekannt, und sie haben andere Städte viel härter getroffen als Konstanz. So ist es für den Moment zwar erfreulich, dass die Vorsicht der Experten in der Kämmerei Konstanz mit einem blauen Auge davonkommen lässt. Aber möglicherweise ist der Weckruf zu leise. Denn um die Stadt-Finanzen steht es weniger gut, als manche es wahrhaben wollen.
Da ist zunächst die Einnahmenseite. Viele Städte in der Größenordnung von Konstanz nehmen laut Statistischem Landesamt deutlich mehr Gewerbesteuer ein. In Konstanz fehlt es bei der wichtigsten von der Kommune zu beeinflussenden Einnahmequelle dagegen in der Breite wie auch in der Spitze. Die Stadt hat kein Unternehmen mehr wie Altana, das allein einen beträchtlichen Teil der Steuern aufbringt. Und die Echos aus der Vergangenheit, siehe die aktuelle Rückforderung, zeigen die Risiken solch einseitiger Abhängigkeit. Aber auch gemessen an der Zahl von fast 4000 Betrieben ist das Aufkommen schwach. Entweder, viele dieser Betriebe arbeiten am Rande der Wirtschaftlichkeit, oder sie haben in den vergangenen Jahren so viel investiert, dass kaum Überschuss blieb. Bei der Einkommensteuer, deren kommunaler Anteil für Konstanz von besonderer Bedeutung ist, ist die Stadt mit ihren immer noch vielen gut bezahlten Arbeitsplätzen besser aufgestellt. Aber der Kahlschlag in der Solar- und Pharmaforschung und der Wegzug auch gut Verdienender wirken sich ebenfalls aus.
Nun könnte die Stadt an der Steuerschraube drehen. Wie hoch die Sätze für Grund- und Gewerbesteuer sind, kann der Gemeinderat entscheiden. Allerdings ist Konstanz hier schon recht anspruchsvoll unterwegs und will als Standort ja attraktiv bleiben. Hinzu kommt: Oberbürgermeister Uli Burchardt hat Steuererhöhungen, freilich vor Bekanntwerden der jüngsten Einschläge, für die kommenden zwei Jahre ausgeschlossen. Und zum Januar 2019 wird er kaum einen solchen Schritt wagen, denn 2020 ist OB-Wahl. Ganz abgesehen davon, müssten die Verantwortlichen zuerst darlegen, dass sie alle Möglichkeiten des Sparens ausgereizt haben, bevor sie Bürger und Unternehmen stärker belasten.
Es rückt also die Ausgabenseite in den Blick. Entgegen mancher Wahrnehmung ist es nicht so, dass sich Konstanz eine grundsätzlich aufgeblähte Stadtverwaltung leistet. Im Vergleich mit anderen Kommunen an der Grenze zur Großstadt-Schwelle ist das Rathaus zumeist eher knapp besetzt. Einzig bei den Kulturausgaben von 17 Millionen Euro pro Jahr steht die Stadt weit an der Spitze. Sie leistet sich mit Theater und Philharmonie zugleich ein Angebot, für das sie eigentlich zu klein und zu arm ist. Doch eine Debatte darüber gilt als Tabu. Genauso, wie niemand den Ausbau der Kinderbetreuung in Frage stellen wird. Natürlich ist es bitter, wenn der Bund per Gesetz Garantien gibt und die Kommunen bei der Einlösung weitgehend alleinlässt. Doch der Bedarf wächst weiterhin schneller, als Kitas gebaut und Mitarbeiter eingestellt werden können. Dass vor diesem Hintergrund die Stadt Konstanz aber nicht längst Höchstsätze festgeschrieben hat, wie viel ein neuer Kindergartenplatz kosten darf und dass freie Träger sich weiter aus der Stadtkasse bedienen dürfen, ist unverständlich.
Es gibt bei Einnahmen wie Ausgaben ein strukturelles Problem. Mit Glück und Konsequenz konnte Konstanz die Verschuldung auf ein im Landesvergleich niedriges Niveau drücken. Jetzt droht die Stadt vom Pfad der Tugend abzukommen – nicht wegen einer einmaligen Notlage und auch nicht wegen zukunftsweisender Großinvestitionen, für deren Finanzierung man vielleicht künftige Generationen in die Pflicht nehmen dürfte. Nein: Die Stadt lebt über ihre Verhältnisse. Also sind zwei Dinge wichtig: klare Prioritätensetzung und ein offenes Ohr gerade für jene, die ihre Forderungen weniger lautstark erheben. Wenn an der einen Stelle Kosten hinzukommen, macht dies andere Vorhaben zwangsläufig unmöglich. Ein offener Umgang damit, wer die Verlierer sind, wenn Liebgewordenes mit aller Macht erhalten oder Neues begonnen wird, wäre schon mal ein Anfang. Auch die Stadt kann jeden Euro nur einmal ausgeben, und jeder Euro wird immer härter umkämpft sein.