Bis wenige Minuten vor dem Start der grenzüberschreitenden Demonstration für besseren Klimaschutz gingen Wolkenbrüche über Konstanz und Kreuzlingen nieder. Hunderte Demonstranten sammelten sich am Samstagmittag dennoch am Hafenplatz in Kreuzlingen – und erlebten einen Wirbelsturm.

„Die Klimakrise kennt keine Grenzen“

Noelle Ruoss von der Initiative Klimastreik Thurgau fegte mit ihrer Rede durch die Reihen und rüttelte die Menge auf. „Ihr trampelt auf der Umwelt herum, als gäbe es keinen Morgen!“, rief sie. Sie forderte dazu auf, sich nicht länger von Politikern ruhig stellen zu lassen, die einfach nicht handeln wollten. Die 18-Jährige aus Altnau war eine der Antreiberinnen an der Spitze des Zugs, der darauf hinwies: Die Klimakrise kennt keine Grenzen.

Zwischen 500 und 600 Teilnehmern – an einem verregneten Samstag

Nach Schätzungen der Veranstalter der Fridays-for-Future-Bewegung in Konstanz sowie des Klimastreiks Thurgau schlossen sich rund 600 junge Menschen dem Protestzug an, die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 500.

Die Klimakrise kennt keine Grenzen, darauf wiesen am Samstag rund 600 vorwiegend junge Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung in ...
Die Klimakrise kennt keine Grenzen, darauf wiesen am Samstag rund 600 vorwiegend junge Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung in Konstanz und des Klimastreiks Thurgau hin. Sie zogen durch Kreuzlingen und Konstanz. | Bild: Claudia Rindt

Schelte gegen Geländewagenfahrer und Stadtbummler

Die vorwiegend jungen Demonstranten gingen mit Energie und Leidenschaft vor. Immer wieder hüpften sie zu „Hop, Hop Kohlestopp“ oder skandierten: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Spontan reagierten sie auf Szenen am Straßenrand. Als in Kreuzlingen ein Pärchen in eine riesige Geländelimousine stieg, schallte ihm von den Demonstranten entgegen: „Es gibt kein Recht, einen SUV zu fahren.“

In der Rosgartenstraße in Konstanz begrüßten sie Stadtbummler mit: „Leute, lasst das Shoppen sein, reiht Euch in die Demo ein!“ Auch ältere Menschen hatten sich vereinzelt dem Protestzug angeschlossen, so wie der 89-jährige Kurt Wolfer: Er halte die Anliegen der Jungen für wichtig und unterstütze diese gern, sagte er.

Die Demonstranten forderten dazu auf, die Klimakrise ernst zu nehmen und zu handeln. Den Willen dazu hat kürzlich die Stadt Konstanz bekundet. Der Gemeinderat hat, wie von der Fridays-for-Future-Bewegung gefordert, einstimmig den Klimanotstand ausgerufen, also sich dazu bekannt, alles tun zu wollen, um die Klimakrise einzudämmen.

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Aktivisten fordern nach Ausrufen des Klimanotstands in Konstanz: Ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr

„Wir alle müssen und können unsere Zukunft noch beeinflussen“, sagte Zoe Blumberg von Fridays-for-Future Konstanz bei der Abschlusskundgebung im Stadtgarten. Sie stellte ein Handlungsprogramm vor, mit dem die Stadt bis 2030 klimaneutral werden könne.

Die Demonstranten setzen auf den Ausbau des Auto-Teilens (Car-Sharing), des öffentlichen Nahverkehrs, der Radwege und des Grüns in der Stadt. Bis Ende des Jahres 2020 solle jeder fünfte Parkplatz aufgelöst und mit einem Obstbaum bepflanzt sein, so die Vorstellung der Demonstranten, bis 2030 sollten in der Stadt überhaupt keine Autos mehr mit Verbrennungsmotoren fahren.

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Die Stadt solle zudem das Bauen mit Beton unterbinden, bei dessen Produktion besonders viel Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) anfalle. Weiter solle Konstanz jährlich die Photovoltaik auf den Dachflächen um zehn Prozent ausbauen, ebenso die energetische Sanierung der Gebäude.

Wenn sich Konstanzer und Kreuzlinger plötzlich grün werden

Aktivisten luden zu Mitmachaktionen ein. An einem Stand demonstrierte ein Spiel die Folgen des Verlusts der Artenvielfalt. Wenn viele Arten fehlten, brach das gesamte Gebilde zusammen. Jens Mühlhoff von Fridays-for-Future Singen und Radolfzell mahnte: „Der Verlust von Biodiversität ist nichts, was bevorsteht – das läuft.“

Wildkräuter-Expertin Irmtraut Faller nahm Besuchern die Scheu vor wild Gewachsenem. Sie stellte unter anderem frittierte Brennessel-Blätter zum Probieren bereit. Die Welle der jungen Menschen, die sich für einen klimaschonenden Lebensstil interessieren, erreiche auch den Bund für Umwelt- und Naturschutz, sagte Thomas Giesinger vom BUND-Landesverband. Junge Mitglieder kämen verstärkt aus Initiativen zum Teilen des Essens, Tauschen der Kleider und dem Gärtnern auf öffentlichen Flächen.

Konstanzer und Schweizer seien sich ja nicht immer grün, vor allem an Samstagen, wenn mal wieder die Nachbarn die Stadt überfluten, stellte einer der Redner bei der Abschlusskundgebung im Stadtgarten fest. An diesem Samstag aber sei der Schulterschluss über die Grenze gelungen.