Wenn er zubeißt, sind die Tage selbst kräftiger Bäume gezählt. Ein Biber kann innerhalb einer Woche bis zu 50 Zentimeter dicke Stämme durchnagen, die er für den Bau seiner Staudämmen braucht. Genau deshalb waren die Nager den Menschen lange Zeit ein Dorn im Auge und wurden ausgerottet.
Doch inzwischen sind die Tiere auch am Bodensee wieder angesiedelt. Mindestens ein Exemplar lebt seit etwa drei Jahren am Seerhein. An der Schänzlebrücke beim Bodenseeforum hat er einen Bau.
Und das Tier hat einen Namen: Emilio.
Einer, der dem Tier öfter begegnet, ist Gastronom und Stadtrat Anselm Venedey.
Er wohnt am Herosépark. „Der Biber ist bei den Anwohnern der Hofgärten gut bekannt. Die Kinder im Quartier nennen ihn Emilio, aber auf diesen Namen hört er nicht“, sagt Venedey und lacht.
Die Mitarbeiter des benachbarten Bodenseeforums hatten das Tier bereits vergangenes Jahr getauft: Auf den Namen Kurt. Davon zeugt ein Facbook-Post auf der Seite des Bodenseeforums:
Egal, wie es nun heißt: Anselm Venedey sieht das Tier immer wieder, vor allem kurz nach Sonnenaufgang. „Er ist inzwischen mein Schwimmgefährte geworden, denn wenn die Gesundheit es zulässt, gehe ich auch im Winter in den Seerhein“, sagt der Gastronom. Emilio sei zwischen Schänzle- und Fahrradbrücke unterwegs. Hier schwimmt er zum Beispiel in Richtung HTWG.
Sehr zum Leidwesen der umliegenden Bäume und Sträucher, an denen Emilio deutliche Spuren hinterließ. Anselm Venedey zeigt einen Strauch, über den sich der Biber hergemacht hat.
Er fällte sogar ganze Bäume rund um den Herosépark, davon zeugen diese Baumstämme am Seerhein-Ufer direkt neben dem Biberbau an der Schänzlebrücke.
Die Stadtverwaltung zäunte deshalb einige Stämme am Ufer ein, wie Anselm Venedey zeigt.
Venedey freut sich immer, wenn er den Biber sieht. Inzwischen glaubt er, sogar ein zweites Exemplar ausgemacht zu haben, denn er entdeckte einen weiteren Biberbau auf Höhe des Bootcenters.
Wie viele Biber in Konstanz leben, kann auch Bettina Sättele nicht sagen.
Die selbstständige Biologin und Biberbeauftragte des Freiburger Regierungspräsidiums geht am Herosé von mehr als einem Exemplar aus und kennt auch die anderen Biberbauten rund um Konstanz. Außer dem Tier oder den Tieren am Seerhein lebt noch eine Familie im Tägermoos, weitere Biber gibt es im Dingelsdorfer Ried und am Mühlhalder Weiher zwischen Dettingen und Allensbach.
Die Biberfachfrau tauscht sich regelmäßig mit dem Konstanzer Amt für Stadtplanung und Umwelt aus. Dessen stellvertretender Leiter Martin Wichmann erzählt: „Am Mühlhalder Weiher sorgte ein Biber mal für Überschwemmung, das mussten wir beheben.“ Ansonsten freut er sich, dass der unter Artenschutz stehende Biber sich Lebensräume zurückerobert.
„Das ist eine Chance für uns, mit Wildtieren in Berührung zu kommen“, sagt Wichmann. Allerdings ist das für die Tiere nicht ganz ungefährlich, wie Bettina Sättele erzählt: „Mindestens zwei Biber wurden überfahren, als sie vom Wollmatinger Ried Richtung Flughafen wollten.“
Die Biologin ist fast täglich zwischen Konstanz und der Rheinebene unterwegs – immer im Dienst des Bibers.
Denn einzelne Gesellen zu verjagen, helfe niemandem weiter. „Wenn man einen vertreibt, kommt irgendwann der nächste“, sagt Bettina Sättele. „Wir müssen vielmehr Lebensräume schaffen, in denen die Tiere bleiben können.“
Sie packt deshalb mit Gummistiefeln und Hacke ausgerüstet direkt im Gelände an. Auch nach Konstanz will sie bald wieder kommen und sehen, wie das Gebiet rund ums Wollmatinger Ried biberfreundlich gestaltet werden könnte. Ein Tunnel, ein Zaun oder ein Verkehrsschild mit Hinweis auf kreuzende Biber könnten helfen.
Auch am Mühlhalder Weiher will Sättele dann nach dem Rechten sehen und der Stadtverwaltung vorschlagen, dort für die Biber ein Biotop zu gestalten. Dann müssten die Dettinger Kleingärtner auch keine Überschwemmung mehr fürchten.
Wie lange Emilio und seine Freunde sich noch in Konstanz aufhalten, hängt davon ab, wie gut sie sich hier ernähren können.
Fest steht nur, dass auch einzelne Exemplare gut überleben können. „Der Biber ist Selbstversorger und durchaus in der Lage, allein die Burg und allenfalls einen Damm zu bauen“, weiß Wolf-Dieter Burghard, Biberexperte aus Kreuzlingen. Im dortigen Seeburgpark lebe womöglich inzwischen ein Biberpaar.
Genau wie der Herosépark ist die Kreuzlinger Grünfläche stark frequentiert. „Von einem unliebsamen Vorkommnis zwischen Mensch und Tier ist mir nichts bekannt“, so Burghard. „Der oder die Biber hat (haben) sich mit dem Rummel abgefunden. Er ist (oder sie sind) seit etlichen Jahren anwesend.“
Was tue ich, wenn ich einen Biber treffe?
Sollten Konstanzer auf Emilio treffen, gilt vor allem eines: „Wildtiere sollte man nicht füttern“, sagt Wolf-Dieter Burghard mahnend.
Und: „Hat der Biber zu wenig Nahrung, wandert er wieder ab.“
Was sollten Badegäste also tun, wenn im Seerhein plötzlich ein großer Nager neben ihnen schwimmt? „Begegnungen mit einem Biber sind selten und auch für mich stets ein Erlebnis“, erklärt Wolf-Dieter Burghard weiter. „Wie verhalten? Still stehen, staunen, sich freuen.“