Gottmadingen/Thayngen – Der emeritierte Pfarrer Paul Müller kehrte mit fast 95 Jahren an seine frühere Wirkungsstätte zurück und stellte in Thayngen sein Lebenswerk vor, das er in einem 187-seitigen Taschenbuch zusammen gefasst hat. "Ein Mensch, der gegen den Strom schwimmt und ehrlich zu seiner Meinung steht, ist jemand, den man sich merken kann", sagte der katholische Pfarrer, der sich heute nicht mehr als Hochwürden, sondern als Merkwürden sieht. Auf merkwürdige Art ist auch sein einziges literarisches Werk "Noch ist kein Pfarrer vom Himmel gefallen" entstanden.
Vor einem halben Jahr kam der ehemalige Seelsorger am Bahnhof in eine Polizeirazzia und brach sich im Gerangel den Arm. Im Krankenhaus erzählte er der Spitex-Dame Claudia Steffan von einem Manuskript über sein Leben. Sie nahm es nach Hause und zeigte es ihrem Lebensgefährten, dem Verleger Roland Bider, der daraufhin mit dem Pfarrer das Buch herausbrachte. Bei der Vorstellung des Buches sagte der scharfsinnige Priester mit kräftiger Stimme Gedichte auswendig auf und erzählte Anekdoten aus seinem bewegten Leben. Er richtete auch nachdenkliche Worte an die rund 30 Besucher.

Paul Müller ist in Herisau aufgewachsen und studierte nach dem Abitur in Rom Theologie. "Rom war mir zu katholisch und ich mochte den Glanz und den Pomp nicht", erinnerte sich Müller, der danach zu den Jesuiten nach Innsbruck wechselte. Eigentlich wollte er als Missionar nach Kolumbien gehen, doch es verschlug ihn lange Jahre nach Schweden und in die USA. Von 1974 bis 1980 war er Pfarrer in Thayngen. "Ich bin nicht der Herr eures Glaubens, sondern der Diener eurer Freude", war immer der Leitspruch des Priesters, der heute in Rorbas im Kanton Zürich lebt.
Die Besucher schmunzelten über die Flausen im Kopf des Pfarrers und über seinen Humor. Er erzählte, wie er in Schweden von Nichtkatholiken und Atheisten für den Sohn des Bischofs gehalten wurde, weil dieser eben auch Müller hieß und erzählte, was es zu bedeuten hatte, wenn der Pfarrer beim Grenzübertritt eine Blume im Hemd stecken hatte.
Sein früherer Wegbegleiter Kurt Fanger erinnerte sich daran, wie man dem Pfarrer Müller in Thayngen eine Pfarrköchin anbot und er dankend ablehnte. "Eine junge gibt es sowieso nicht und eine alte will ich nicht", soll er damals gesagt haben. Paul Müller erzählte von einem alten Schwarzen, der die Christen als Christbaumchristen und Apfelbaumchristen klassifiziert. Ein Christbaum sei ein Baum, der nur nehme und im Zentrum stehen wolle, aber letztlich ein toter Baum. Ein Apfelbaum hingegen sei ein Baum, der auch im Wind stehen bleibe und Früchte trage. "Einen Christen zu bekehren ist eine Heidenarbeit", schmunzelte Müller, der es bedauert, dass viele Menschen in der Kirche heute resignieren.
Er bemerkte, dass es viele Pfarrer gebe, die ein geistiges Menü servieren, sich dabei aber als Chefköche vorkommen, die für Menschen kochen, die keinen Hunger mehr haben. Paul Müller vermittelte bei der Lesung hingegen jede Menge Appetit auf sein Buch, viele Besucher wünschten sich deshalb nach der Veranstaltung ein signiertes Exemplar.
Zum Titel
- Inhalt: Als ehemaliger Priester der Katholischen Kirche stellt sich Paul Müller Fragen in Bezug auf die persönliche Auslegung der Aufgaben des Priesters, so heißt es im Begleittext des Verlags. Das Buch gewinne aber vor allem durch die persönlichen Berichte über das Amt des Priesters und die Anekdoten aus dem Leben Paul Müllers.
- Das Buch "Noch ist kein Pfarrer vom Himmel gefallen" kann man online bei www.rollisverlag.ch bestellen oder im Thaynger Restaurant Hüttenleben für 26 Franken erwerben.