
Hoch über dem Hegau scheint die Corona-Krise weit weg gerückt zu sein. Im Engener Stadtteil Stetten bietet sich ein herrlicher Blick in die Hegau-Landschaft und auf die imposanten Berge. Dazu strahlt die Sonne am wolkenfreien blauen Himmel. Mit der Zugposaune in der Hand tritt Michael Mayer auf die Steinmauerstraße. Er lächelt frohgelaunt. Das obwohl derzeit die Corona-Krise Mayers Freude an der Musik trübt. Seinen Mitspielern ergeht es nicht anders.

Anfang April probt die Stettener Trachtenkapelle normalerweise intensiv für die Auftritte, die in der ganzen Region gefragt sind. Die musikalische Formation um ihren Spaßmacher und Leiter, Michael Mayer, gilt als Stimmungskanone. Wenigstens einige der Stettener Akteure wollen nicht ganz Verzicht -wie verordnet – üben.
Ein Aufmuntern in Krisentagen
Die Stettener treffen sich wie Musikanten andernorts im Hegau an Sonntagabenden, um mit einem Gruß nach Noten die Menschen während der Corona-Krise aufzumuntern und ein bisschen Unterhaltung in melodisch ziemlich stummen Stunden zu bieten.
Es gibt schnell Bewegung auf der Steinmauerstraße. Auch Georg Eichinger und der junge Julian Meßmer stellen sich in gebührendem Abstand mit ihren Instrumenten auf. Gefahren gibt es an der Wohnstraße kaum. Die Anzahl der verkehrenden Fahrzeuge sind im kleinen Stetten überschaubar. Auf einer Anhöhe wappnen sich vier weitere Musiker auf dem Balkon eines Hauses.

Wie als Leiter der Trachtenkapelle gewohnt, gibt Mayer den Titel der Lieder und den Ton an. Das geht auch in der Entfernung. Nur für den Reporter ist es etwas mühsam, mehrmals den Buckel hochzukraxeln und wieder hinunterzugehen, um alle Akteuren aus der Nähe stilgerecht zu filmen und zu fotografieren.
Herzblut beim Badnerlied
Das eigene Lied der Trachtenkapelle, „Irische Segenswünsche“, „Freude schöner Götterfunken“, „Von guten Mächten wunderbar getragen“ kommen zur Aufführung. Mit besonders viel Herzblut und großem Spaß singen die Akteure das Badnerlied und den Titel „Gute Freunde“. Nachbarn spenden immer wieder Applaus. Es bleibt Zeit zum Flachsen.
Am Ende singen die Musiker zusammen mit anderen Anwohnern noch das Stettener Heimatlied. Und ein hocherfreuter Anwohner gibt eine Runde Bier aus. „Es tut schon weh, dass wir nicht proben können. Die sozialen Kontakte fehlen. Umso schöner ist es, dass wir wenigstens bei solchen Aktionen zusammen spielen“, sagt Christoph Hogg, der zusammen mit seiner Freundin Vanessa Mang, Vater Friedbert Hogg und Franz Maucher auf dem Balkon gespielt hat.
„Die Aktion ist auch ein Dankeschön für die Menschen, die in der Krise einen schweren oder heiklen Job machen oder erkrankt sind“, betont Michael Mayer.

Aussteiger stimmen ein
Auch der Gottmadinger Hans-Seiler, Leiter der Band Die Original Aussteiger, will mit dem Spiel im Garten seines Hauses ein Zeichen setzen. „Es soll den Menschen vermitteln: Sie sind nicht alleine“, sagt er. Der Gottmadinger Musikverein hat genauso wie die Stadtmusik Engen die Akteure aufgerufen, sich am musikalischen Gruß zu beteiligen.
Symbolträchtig agieren dabei Alfred Ruh und sein Sohn Adrian. Sie spielen gleich in mehreren Kapellen. Vater Ruh sogar in drei. Er musiziert in der Uniform des Gottmadinger Musikvereins, der Sohn in der Kluft des Musikvereins Randegg, wo auch Alfred Ruh mitwirkt. Vor sich stellen sie den Banner mit dem Notenschlüssel der Original Aussteiger, in die beide integriert sind.
Trotz stillgelegter Proben und Auftritte: Die Musik im Hegau mit ihrer ganzen Vielfalt lebt, wenn auch befristet nur in diesen besonderen Momenten.
