Zur neuen Bühne im Allensbacher Seegarten gibt es weiterhin sehr geteilte Meinungen. Das zeigte sich auch wieder bei einem aktuellen Vororttermin mit Vertretern der Gemeinde, dem Architekten und einigen Einwohnern.
Weitere Anwohner waren geschockt
So finden der im Ortsteil Kaltbrunn lebende Physiker Robert Conradt und Anwohner Wighard Strehlow die Bühne zu groß und zu hoch. Er und auch andere Anwohner seien beim Anblick des Bauwerks zunächst geschockt gewesen, sagte Strehlow. Weder er noch Conradt wüssten jemanden, der anders darüber denke. Bürgermeister Stefan Friedrich hielt dagegen. Es gebe auch viele Bürger, die die neue Bühne gut fänden, betonte er. „Man kann es nicht allen Recht machen. Politik heißt auch, einen Kompromiss zu finden.“

Droht Ärger mit den Kritikern?
Conradt und andere Allensbacher monierten zudem den Standort nahe dem Seeufer, denn dort versperre das Bauwerk die Sicht. In der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs sei ein Platz nahe der Straße und eine zum See hin offene Bühne vorgegeben gewesen. Dies hatte ein Schallschutzgutachten ergeben, auf das sich der Physiker nun beruft. Wenn man die darin berechnete Schallentwicklung auf den jetzigen Standort übertrage, ergebe sich ein Problem, denn die Musik tönt in Richtung Wohnhäuser – wo sich die Bewohner belästigt fühlen könnten. „Wenn da einer zum Telefon greift, ist das Konzert beendet.“
Friedrich verteidigt Gutachten
Laut Bürgermeister Friedrich existiert jedoch auch für diesen Standort ein Gutachten, nach dem alle gesetzlich vorgegebenen Werte eingehalten werden. Und es wurde ein Betriebskonzept erstellt, in dem die Zahl der Konzerte, die Lautstärke und sogar die Zuschauerzahl festgelegt sind. Er und der Gemeinderat müssten sich auf die Aussagen von Fachleuten verlassen; das Ganze sei zudem vom Landratsamt geprüft, sonst hätte es keine Genehmigung gegeben. Auf Conradts Entgegnung („Gegen die Zahlen ist kein Kraut gewachsen. Das ist Physik.“), sagte Friedrich: „Ich kann nur hoffen, dass sie im Unrecht sind.“

Anblick wird sich noch ändern
CDU-Gemeinderat Ludwig Egenhofer erklärte, das Gremium habe sich deshalb für den Standort entschieden, weil dort die Zuschauer die schöne Landschaft des Gnadensees sehen können. Stefan Friedrich betonte einmal mehr, dass der aktuelle Eindruck von dem Objekt auch täusche, weil der Bereich derzeit eine Baustelle sei. Und Architekt Helmut Hagmüller verwies auf die noch ausstehende Begrünung und einen großen Baum neben der Bühne. „Dann wird das landschaftlich wieder harmonisch.“
Mehr Höhe empfohlen worden
Weiterer Kritikpunkt einer Bürgerin: In der Ausschreibung sei eine Höhe von vier Metern angegeben gewesen. Nun ist die Bühne fast sieben Meter hoch. Der erste Wert bezog sich laut Bürgermeister und Architekt allerdings nicht auf die Gesamthöhe, sondern die lichte Höhe vom Bühnenboden bis zum Bühnendach. In seinem ersten Entwurf habe er 4,50 Meter angegeben, sagte Hagmüller. Nun seien es 5,40 Meter. Das begründete Bürgermeister Friedrich einmal mehr mit akustischen Gründen. Von einem Fachbüro sei sogar noch mehr Höhe empfohlen worden, der Gemeinderat habe den Wert allerdings noch etwas gedrückt.
Architekt reduzierte Bühnentiefe
Der Architekt erklärte, dass man daraufhin die Bühnentiefe von zehn auf 8,50 Meter reduziert habe, damit das Verhältnis besser passe. „Akustik braucht Höhe“, betonte der Baufachmann. Robert Conradt hielt dagegen, dass es eine gute Akustik auf der Bühne nur bräuchte, wenn dort rein akustische Ensembles spielen würden. Die Mehrheit nutze aber Verstärkeranlagen. Die klängen auch mit weniger Höhe gut. Aber erneut konterte der Verwaltungschef: „Ich baue hier nicht eine Bühne für ein Jahr, sondern für eine Generation.“ Und deshalb solle das Bauwerk für viele Arten von Auftritten geeignet sein – vom Solisten bis zum großen Chor.
Keine Vorstellungen in Sicht
Allensbachs Kulturbüroleiterin Sabine Schürnbrand findet es vor allem schade, dass die Bühne wegen der Corona-Krise nicht so bald bespielt werden dürfte. Denn erst dann könne man den Kritikern das Gegenteil beweisen, bedauerte sie.
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Das Bauwerk passe nicht in den Seegarten, darum ging es schon in der ersten Kritik:http://www.sk.de/10491231