„Dann setzt mir mal die Mütze auf.“ Lutz Wendel schmunzelt. Mütze ist die liebevolle Umschreibung einer rund 15 Kilogramm schweren Lebensversicherung, unter der Minuten später der Kopf von Lutz Wendel verschwinden wird. Die Mütze ist ein Taucherhelm und gehört ebenso wie der Neoprenanzug zur Arbeitskleidung des Mannes. Lutz Wendel ist Berufstaucher. Er gehört zur achtköpfigen Crew der Bodensee-Taucher GmbH von Günther Dietz. Fünf Tage lang sind er und seine Männer vor Süßenmühle auf dem Bodensee im Einsatz.

Sie sollen die technischen Anlagen der Bodensee-Wasserversorgung (BWV) reinigen. Mit ihnen entnimmt die BWV dem See das Wasser, das auf den Sipplinger Berg gepumpt und dort für rund vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg zu Trinkwasser aufbereitet wird. Pressesprecherin Teresa Brehme: „Früher reichten Reinigungsintervalle von drei Jahren, doch die Quagga-Muschel hat sich in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet, sodass eine Reinigung mittlerweile jährlich stattfinden muss.“ Ein teures Vergnügen, das die BWV mehrere 10.000 Euro pro Jahr kostet.

Auf Deck des Schiffes der Bodensee-Taucher ist Lutz Wendel mittlerweile komplett für den Tauchgang angekleidet. Drei Kollegen haben ihm geholfen. Sie haben ihm den Helm aufgesetzt, die Atemflaschen auf den Rücken gepackt und ihn mit Flossen sowie Handschuhen ausgestattet. Taucheinsatzleiter Alexander Heidacher hat Lutz Wendel an die Versorgungsleitungen angeschlossen und jeden Schritt dieses Prozesses dabei laut und deutlich benannt. Wendel hat jeden dieser Schritte wiederholt und dadurch bestätigt, ganz so wie im Cockpit eines Flugzeuges beim Check der Funktionen zwischen Pilot und Co-Pilot. Günther Dietz, Inhaber der Bodensee-Taucher GmbH, sagt schmunzelnd: „Der Alex kommt von der Bundeswehr, da hat er das so gelernt und hierhin mitgebracht. Es geht halt um die Sicherheit der Männer.“

Ausrüstung wiegt fast 80 Kilogramm
Fast 80 Kilogramm wiegt die Ausrüstung, mit der beladen Lutz Wendel schließlich von der Plattform des Schiffes ins Wasser springt. Verbunden mit einer Versorgungsleitung steigt der Berufstaucher entlang eines dicken Taus in rund 60 Meter Tiefe hinab. Das Tau hat einer seiner Kollegen schon zuvor mit der technischen Anlage der BWV am Grund verbunden. Dort liegt für Lutz Wendel schon ein Hochdruckreiniger bereit. Im Licht seiner drei Helmscheinwerfer beginnt der Berufstaucher die mühsame Arbeit und reinigt die Anlagen und Filterkörbe von den Quagga-Muscheln. 15 Minuten darf Wendel in dieser Tiefe bleiben, dann muss er mit dem Wiederaufstieg beginnen. Andernfalls drohen ihm bleibende gesundheitliche Schäden.

Die Arbeit des Tauchers wird von seinen Kollegen oben an Deck ständig überwacht. Max Kempf ist für die Kommunikation mit Lutz Wendel verantwortlich. Über eine am Helm befestigte Videokamera können er und die anderen Taucherkollegen die Arbeit am Seegrund verfolgen. Alexander Haidacher kontrolliert dabei immer wieder das Gasgemisch, das Lutz Wendel atmet.
15 Minuten Arbeit, 45 Minuten Aufstieg
Die Männer beobachten den Fortschritt der Arbeiten an Grund, die sie über den großen Videoschirm an Bord sehen können, und weisen ihren Kollegen auf Ablagerungen hin. Dann gibt Alexander Haidacher mit Blick auf eine große an der Wand befestigte Stoppuhr nach 15 Minuten das Kommando zum Aufstieg: „Du musst hoch!“ Eine Dreiviertelstunde wird es dauern, bis Lutz Wendel wieder an der Wasseroberfläche erscheint. Meter für Meter klettert er in dieser Zeit an dem Tau nach oben, verharrt immer für einige Minuten auf einer von seinem Einsatzleiter vorgegeben Tiefe, bis er die nächsten Meter in die Höhe geht. Würde Lutz Wendel zu schnell aufsteigen, würde sich der Umgebungsdruck für ihn zu schnell ändern und zu viel Stickstoff in sein Blut übertragen. Das könnte für ihn lebensgefährlich werden.

Weil grundsätzlich immer die Gefahr eines Tauchunfalls besteht, hat das Schiff der Bodensee-Taucher eine eigene Druckkammer an Bord. Im Falle eines Unfalls würde der Taucher hier zunächst grundversorgt werden können, um dann ins Krankenhaus nach Überlingen gebracht zu werden. In all den Jahren sei es erst einmal zu so einem Zwischenfall gekommen, als ein Ventil an dem Anzug des Tauchers nicht richtig arbeitete, erinnert sich Dietz.
Neue Anlage soll Quagga-Muschel fernhalten
Vier Tauchgänge am Tag zu drei Bauwerken am Grund: Die Reinigungsarbeiten im Auftrag der BWV sind umfangreich. Dies wird sich vermutlich erst ändern, wenn die neue weiter westlich gelegene Wasserentnahme-Station im Pfaffental in Betrieb genommen werden kann. Die dort geplante Ultrafiltrations-Anlage sowie der Einbau selbstreinigungsfähiger Entnahmeleitungen sollen einen effektiven Schutz gegen die Quagga-Muschel wie auch ihrer Larven bieten. Die gleiche Anlage soll anschließend auch in Süßenmühle gebaut werden, wenn die Station Pfaffental in Betrieb ist.

Teresa Brehme: „Mit neuen Ultrafiltrationsanlagen an den beiden zukünftigen Uferstandorten wird ein Verfahren zum Einsatz kommen, das durch eine Porenweite von 20 Nanometern unerwünschte organische und partikuläre Feststoffe wie Gletscherschliff oder Mikroorganismen sicher entfernt und somit auch die Larven der Quagga-Muschel aus den nachfolgenden technischen Anlagen und Aufbereitungsstufen fernhält.“ Bis dahin werden aber noch einige Jahre ins Land gehen. Das Projekt Zukunftsquelle, also der Neubau der Entnahmestation im Pfaffental und die Modernisierung der Anlage in Süßenmühle, soll 2035 abgeschlossen werden.