Der Bodensee ist ein Gewässer, das fasziniert. Es ist Lieferant für Trinkwasser und Fisch, aber auch Forschungsobjekt und Erholungsgebiet. So interessieren sich Wissenschaftler und Ingenieure schon seit Jahrhunderten für den See und seine Beschaffenheit. Dabei kommen allerlei technische Gerätschaften zum Einsatz – nicht nur Schiffe. Geforscht und untersucht wird auf und im Wasser.
Bodensee-Wasserversorgung forscht für neues Seewasserwerk
Jüngst nahmen Vertreter der Bodensee-Wasserversorgung eine Bohrinsel im Überlinger See in Betrieb. Sie soll Bohrkerne aus dem Bodenseegrund fördern, die Aufschluss über die Verhältnisse in der Tiefe geben. Es handelt sich um Vorarbeiten für das neue Seewasserwerk der Bodensee-Wasserversorgung, das unter dem Projektnamen „Zukunftsquelle. Wasser für Generationen“ entstehen soll.
Insgesamt sind 18 Bohrungen im Bodensee geplant, ein Teil vor dem Pfaffental und der andere Teil vor Süßenmühle. An einigen Stellen stößt der Bohrer bis in eine Bodentiefe von 60 Metern vor. Die Verantwortlichen erhoffen sich aussagekräftige Ergebnisse über Schichtungen, Festigkeit und Zusammensetzung. Das sind Informationen, die beispielsweise für die Bauplanung der Entnahmetürme unerlässlich sind. Der SÜDKURIER war zu einem Rundgang auf der Bohrinsel.
Bereits im Sommer 2021 ließen die Fachleute der Bodensee-Wasserversorgung zwei Messbojen ins Wasser. Rund ein Jahr lang werden darüber die Beschaffenheit und Qualität des Bodenseewassers vor Sipplingen untersucht. Auf diese Weise sollen die besten Entnahmestellen für das Trinkwasser gefunden werden. Die Bojen erfassen „die Strömungs- und Temperaturverhältnisse im See sowie die meteorologischen Bedingungen über dem See“, teilte die Bodensee-Wasserversorgung mit.

Die Messdaten werden wiederum mit Modellrechnungen abgeglichen, um sich bei der Positionierung der Entnahmestellen wirklich sicher zu sein. „Unser Ziel muss es sein, Trinkwasser in möglichst gleichbleibend guter Qualität aus dem Bodensee zu entnehmen“, sagte Roland Schick, Laborleiter in Süßenmühle, im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Hier erfahren Sie alles zu den Messbojen.
Details über Vergangenheit des Bodensees
Für die Tiefen des Bodensees interessieren sich auch Wissenschaftler der Technischen Universität in Braunschweig. Von einer Bohrinsel aus, die vor Stetten auf der Wasseroberfläche lag, entnahmen sie ab Juni 2019 ebenfalls Bohrkerne aus dem Untergrund. Ziel ist es, Kenntnisse über Klima und Umwelt des Bodensees während der letzten Eiszeit zu erlangen, beispielsweise über chemische Signaturen und Kleinstkrebse. Die Forscher wollen wissen, wie schnell sich der Rheingletscher einst zurückzog und der See entstehen konnte.

Obwohl die Bohrungen aufgrund der damals stürmischen Witterung und des sandigen Bodens unterbrochen wurden und man mit 24 Metern Bodentiefe nicht annähernd die anfangs erhofften 100 Meter erreichte, gelang es am Ende, den Sedimentkernen insgesamt 600 brauchbare Proben zu entnehmen. Diese untersuchte man weiter. Antje Schwalb vom Institut für Geosysteme und Bioindikation an der Technischen Universität erklärt auf Nachfrage, dass das Projekt noch nicht abgeschlossen ist. An der Forschung beteiligt sind die Universitäten in Konstanz und Bern. Bei einem Besuch auf der Bohrinsel erklärte Wissenschaftler Ulli Raschke im Juni 2019, wie das Bohren funktioniert.
Betonkugel klebt am Seegrund fest
Bereits einige Jahre ist es her, dass das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik eine Betonkugel vor Überlingen versenkte. Als Teil eines Versuchs zur Stromspeicherung unter Wasser sollte sie etwa einen Monat lang unten bleiben und Erkenntnisse zur Speicherung überschüssiger Energie liefern. Doch der Schlamm hielt sie fest am Seegrund, als sie geborgen werden sollte.

Weitere Bergungsversuche mussten witterungsbedingt verschoben werden, sodass das Institut die drei Meter große Kugel anstatt im Dezember 2016 erst im März 2017 aus dem See holen lassen konnte. Erfolgreich war der Versuch nach Angaben von Matthias Puchta, Abteilungsleiter für Energiespeicher am Fraunhofer-Institut, dennoch. Hier lesen Sie, wie es mit der Betonkugel weiterging, und welche Ableitungen für künftige Forschungsprojekte getroffen wurden.
100 Stunden in der Unterwasserstation
Erfahrung mit der Klebkraft des Bodenseeschlamms sammelten 1969 auch Jürgen Dorschel und Bernd Hähnert. Sie waren 100 Stunden lang in der Unterwasserstation BAH II eingeschlossen, bis sie gerettet werden konnten. Aufgrund eines Konstruktionsfehlers bei der permanent offenen Einstiegsluke war es in 20 Metern Wassertiefe zu einem Unfall gekommen und die 20 Tonnen schwere Station war unkontrolliert auf 47 Meter Tiefe abgestürzt. Die Spreizbeine hatten sich tief in den Schlick auf dem Seegrund gebohrt und die zylindrische Tauchstation war bis zur Hälfte im weichen Seeboden versunken. Was als Tieftauchversuche begonnen hatte, endete in einer Rettungsaktion mit unzähligen Beteiligten.

Blick in Tiefen des Bodensees
Noch viel weiter als die dramatische Bergung der Tauchkapsel liegen die ersten Vermessungen des Bodensees zurück. 1825 und 1826 wurden unter der Aufsicht von Johann Gasser „Lothungen nach 13 Richtungen“ und Messungen an „nicht weniger als 333 Stellen“ vorgenommen. Eine knappe Datenlage, die die Menschen trotzdem begeisterte. Um ein Vielfaches mehr weiß man allerdings heute über die Tiefen des Bodensees. In den Jahren 2012 bis 2015 ließ die Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee das Gewässer und seine Gegebenheiten unter dem Projektnamen „Tiefenschärfe“ neu vermessen. Per Boot und Flugzeug sammelten die Wissenschaftler mehr als 19 Milliarden Daten für 3D-Aufnahmen. Wie das Projekt ablief, erklärte Martin Wessels, Geologe am Institut für Seenforschung in Langenargen dem SÜDKURIER.
