Es war eine unaufgeregte Zeremonie. Und doch wehte ein wenig der Hauch der Geschichte durch das Trauzimmer im Rathaus von Stockach, einer Kleinstadt im nördlichen Landkreis Konstanz.
Am Freitagmittag haben dort die beiden transsexuellen Frauen Christin Löhner und Michelle Bilgeri geheiratet. Für Baden-Württemberg war das eine Premiere: Laut eigenen Angaben sind die beiden die ersten Ehepartner in dieser Konstellation in Baden-Württemberg.
Und für Stockach war es zudem die erste gleichgeschlechtliche Eheschließung überhaupt, wie Standesbeamtin Sarah Streit berichtet. Mehrere gleichgeschlechtliche Paare seien bereits bei ihr gewesen, um die Heirat anzumelden, so Streit, geheiratet hätten diese Paare dann aber immer anderswo.
Das wollten Löhner und Bilgeri nicht. Sie wollten in der Stadt heiraten, in der sie leben, und damit auch ein Zeichen setzen. Viele Freundinnen, Freunde und Wegbegleiter waren dabei, ebenso wie ein paar Schaulustige – und einige Medienvertreter.
Christin Löhner ist sehr aktiv als Organisatorin und Leiterin von Selbsthilfegruppen und dokumentiert ihren Weg der Geschlechtsangleichung in einem Blog. Eine Geschlechtsangleichung sei kein Schritt, den jemand aus einer Laune heraus tue – das haben Christin und Michelle Löhner, wie sie seit der Heirat heißen, schon früher klar gemacht.
Dahinter stehe ein immenser Leidensdruck und oft genug auch ein Leidensweg. Daher suchen die beiden, die sich in einer Selbsthilfegruppe kennengelernt haben und sich auch als Aktivistinnen bezeichnen, die Öffentlichkeit, um für Verständnis und gegen Diskriminierung zu werben.

So waren auch einige Menschen bei der Trauung, die sich ebenfalls als Frau empfinden, aber mit männlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen sind. Kommt man mit ihnen ins Gespräch, so hört man durchaus, dass das Zeichen von Christin und Michelle Löhner Wirkung tut.
"Ich fand es super, dass jemand diesen Schritt gewagt hat", sagt etwa Fransiska Jung aus Tuttlingen. Ein anderer Gast, der erst am Anfang des Weges zur Geschlechtsangleichung steht, seinen Namen aber nicht in den Medien wiederfinden will, sagt: "Es ist grundsätzlich toll, dass die beiden sich in dieser Konstallation gefunden haben."
Viele andere transsexuelle Menschen wollen hingegen ein möglichst "normales" Leben abseits des Rampenlichts führen, wie ein anderes Paar mit demselben Hintergrund aus einem anderen Bundesland als Reaktion auf einen früheren Bericht des SÜDKURIER in einer E-Mail an die Redaktion schrieb.
Standesbeamtin Streit sagte nach der Eheschließung: "Ich finde es schön, dass wir das als Vorreiter in Baden-Württemberg machen durften." Und sie habe es als Bereicherung empfunden, Christin und Michelle Löhner auf ihrem Weg zu begleiten. Man habe sich im Vorfeld eher Gedanken um Störer gemacht, sagt Streit, doch diese waren unbegründet. Die Eheschließung ist störungsfrei verlaufen.
Dass eine Heirat zwischen gleichgeschlechtlichen transsexuellen Menschen trotzdem noch lange nicht selbstverständlich ist, zeigt eine Diskussion im sozialen Netzwerk Facebook. Ein SÜDKURIER-Bericht im Vorfeld wurde dort in der Gruppe "Gender mich nicht" geteilt, wo Facebook-Nutzer teilweise rüde und beleidigend reagiert haben.
So rüde, dass Christin Löhner Anzeige erstattet hat. Derzeit ermittle das Stockacher Polizeirevier wegen des Anfangsverdachts der Beleidigung, bestätigt Polizeisprecher Bernd Schmidt. Und Christin und Michelle Löhner? Für sie war es ein Freudentag, nach der Trauung zeigten sich beide glücklich über den Schritt, den sie getan haben.
Die Gesetzeslage
Seit dem 1. Oktober 2017 ist die Ehe zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts möglich. Seitdem heißt es in Paragraf 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Etwa zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten stimmten für die Änderung. Vorausgegangen war eine kontroverse gesellschaftliche Debatte.