Eine alte, klapprige Schreibmaschine stand im Zentrum eines Aktionstages zum Café International im Tafel-Treffpunkt am Heinrich-Weber-Platz. Auf ihr tippten Nadine Burggraf und Elena Schwarz, zwei Mitarbeiterinnen des Bildungswerks der katholischen Erzdiözese Freiburg, die Wünsche der Besucher ein, die als Postkarten nach der Wahl ins Bundeskanzleramt nach Berlin versandt werden sollen. Die Caritas-Aktion hat den Titel „Meine Postkarte für den zukünftigen Bundeskanzler“ und fand regen Anklang im Tafel-Treffpunkt.

An jedem zweiten und vierten Samstag im Monat öffnet die Tafel ihre Türen, damit sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auch mit wenig Geld treffen und austauschen können. Finden sich sonst oftmals auch Musiker ein, um ehrenamtlich die Besucher zu unterhalten, war aus aktuellem Anlass die Caritas unter dem Motto „Pizza und Politik“ vor Ort, um über den Ablauf und die Bedeutung der anstehenden Bundestagswahl zu informieren. Dies auch vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit geringen Wahlbeteiligung in Singen.

Lag diese bei der Bundestagswahl 2021 bundesweit bei etwa 76 Prozent, so gingen in Singen lediglich 65 Prozent der Wähler zur Wahlurne. Während die Bildungswerk-Vertreterinnen Informationsarbeit leisteten, sorgten die Caritas-Vertreter für die Pizza-Ausgabe.

Mitarbeiterinnen der Caritas haben die Besucher im Tafel-Lokal empfangen (von links): Monika Lang, Christine Kaltenbacher, Beate Jörg, ...
Mitarbeiterinnen der Caritas haben die Besucher im Tafel-Lokal empfangen (von links): Monika Lang, Christine Kaltenbacher, Beate Jörg, Martina Kaiser und Brigitte Ossege-Eckert mit Evgeniya Gette als Leiterin der Initiative Café International und Udo Engelhardt (hinten von rechts). | Bild: Hubertus Bippus

In seiner Begrüßung forderte der Leiter der Tafeln im Landkreis Konstanz, Udo Engelhardt, die Besucher auf, bei ihrer Wahl auf ihr Herz zu hören. Denn derzeit droht eine Partei wieder stark zu werden, die eben gerade kein Herz für wirtschaftlich Schwache, für Behinderte, Menschen mit Migrationshintergrund, mit anderer Religion oder anderer Hautfarbe habe – also für einen großen Teil der Gäste des Café International.

Bei Tafelkunden ist Politikverdrossenheit besonders hoch

Engelhardt treibt die Sorge um, dass die Wahlbeteiligung in manchen Stimmbezirken in Singen sogar noch deutlich unter den bereits genannten 65 Prozent lag. Diese Bezirke sind geprägt durch eine Einwohnerschaft, in der die Kunden der Tafel überproportional vertreten sind. Wenn diese Bürger nicht zur Wahl gehen, so gibt es im Parlament keine Stimme, die deren Interessen vertritt. Auch dies kann langfristig zu einer Gefährdung der Demokratie beitragen.

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„Wir gehen selbstverständlich zur Wahl und freuen uns, dass wir von unserem Wahlrecht Gebrauch machen können“, erklären Sonja Altenburger, Reinhold Wegmann und Nicole Küsler, die im Team Pirmin, der Werkstätte der Caritas für Menschen mit Behinderung, arbeiten und in einer Wohngemeinschaft auch zusammenleben.

Kompliziertes Wahlrecht in einfacher Sprache erklärt

Bei einer leckeren Pizza und Getränken tauschten sich die Mitarbeiter der Caritas mit den Besuchern aus, um deren Einstellung zu den anstehenden Wahlen zu erfahren – und die waren ganz unterschiedlich. Außerdem ging es darum, die Menschen über Modalitäten wie Briefwahl oder Wahl vor Ort zu informieren. Die Mitarbeiter hatten dabei auch Informationsmaterial der Landeszentrale für politische Bildung dabei, in denen die Wahlen auch in leichter Sprache erklärt werden.

Eine lange Liste: Gemeinsam konnte ein Wahlzettel in Augenschein genommen werden.
Eine lange Liste: Gemeinsam konnte ein Wahlzettel in Augenschein genommen werden. | Bild: Hubertus Bippus

Sabine Bieber aus Singen gehörte zu den Gästen, die das Café an diesem Vormittag bis auf den letzten Platz füllten. Sie nimmt regelmäßig an den Wahlen teil und ärgert sich über Menschen, die von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen mit dem Argument, dass man sowieso nichts ändern könne. Diese Einstellung ist für sie umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass in vielen Ländern die Menschen froh wären, wenn sie über diese demokratische Einflussmöglichkeit verfügen würden.

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Aber es gab unter den Gästen auch konträre Stimmen. Sie wollten nicht namentlich genannt werden, führten aber aus, dass sie aufgrund eigener Enttäuschungen mit Justiz oder Politik nicht mehr wählen gehen würden. Die Politik habe mit ihrer eigenen Lebenswirklichkeit nichts mehr zu tun; Politiker agieren abgehoben, und das Vertrauen in die etablierten Parteien sei in den vergangenen Jahren gänzlich verschwunden. Wie sich solche Stimmen im Wahlergebnis am Sonntag, 23. Februar, niederschlagen, wird sich zeigen.