Oberbürgermeister Bernd Häusler wirkt entspannt. Der Haushalt 2022 scheint einer zu sein, der ihm nicht die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Dabei sieht die Finanzsituation in den vergangenen beiden Corona-Jahren schon deutlich angespannter aus. „Wir haben einen Haushaltsplan für das Jahr 2022, der uns nicht in die Ecke treibt“, sagt er in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses – im Vorfeld zur eigentlichen Haushaltssitzung.
Ein Blick in das Singener Finanzpapier macht dabei deutlich: Im Jahr 2022 hat die Stadtverwaltung deutlich mehr Spielraum bei anstehenden Projekten, als es noch im Vorjahr 2021 der Fall war. Zum einen hat dafür ein starker Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen gesorgt, aber auch striktes Haushalten und Konsolidierungen der Verwaltung und des Gemeinderates. „Dadurch hat sich die Haushaltslage deutlich entspannt“, so Häusler weiter. Er gehe das kommende Haushaltsjahr deutlich entspannter an. Obgleich Kämmerin Heike Bender im Gremium anmerkte: „Wir können hier noch keine Entwarnung geben. Wir haben mit Corona gesehen, wie schnell sich das ändern kann.“ Das gelte auch mit Blick auf die folgenden Wirtschaftsjahre bis 2025.
So sehen die Zahlen aus
Das Tal der finanziellen Tränen, das Corona viele Kommunen durchliefen, scheint in Singen vorbei. Laut Kämmerin Heike Bender schließt der Ergebnishaushalt positiv ab. Die Stadtverwaltung rechnet mit einem Plus von 9,5 Millionen Euro. Auch der Finanzhaushalt weist ein Plus von rund 3,9 Millionen Euro aus. Vom Minus von rund 26 Millionen Euro im Finanzhaushalt 2021 ist nicht mehr viel übrig. Dies liege laut OB Häusler vor allem an einem Rekordergebnis bei der Gewerbesteuer.

Die Stadt Singen rechnet hier mit Einnahmen von 62 Millionen Euro – so hoch wie noch nie in der Geschichte der Stadt. Im Vergleich: 2020 und 2021 brach die Gewerbesteuer auf 27,3 beziehungsweise 44,7 Millionen Euro ein. „Die Wirtschaft ist bei uns in Singen gut aufgestellt, weil sie im Vergleich zu Konstanz auch eine breite Branchenvielfalt bietet“, so Häusler. Die erlassene Haushaltssperre 2020 habe zusätzlich zur dringend erforderlichen Verbesserung der Liquidität für 2021 beigetragen.
Hier will die Stadt investieren
18,3 Millionen Euro will die Stadt Singen im laufenden Jahr ausgeben. Alleine 6,6 Millionen Euro sollen dabei in Bauvorhaben fließen. Zu den größten Investitionen zählt Kämmerin Heike Bender den Grunderwerb Tiefenreute (3,2 Millionen Euro), den Wiederaufbau der Scheffelhalle (sechs Millionen Euro auf mehrere Jahre verteilt) und den zweiten Zuschuss an die Stadtwerke Singen zum Bau des Parkhauses in der Bahnhofstraße (2,4 Millionen Euro). Ein Projekt, das schon lange diskutiert wird, sucht man im Haushalt 2022 hingegen weiterhin vergeblich. Für die dringend benötigte Kita in der Nordstadt wurden erneut keine Mittel eingestellt.

Die Stadt lebt nicht auf Pump
„Wir werden für unsere Investitionen keine Kredite brauchen. Wir können uns selbst finanzieren“, betont OB Häusler gleich zu Beginn der Sitzung. Zudem könne die Stadt laut Heike Bender Kreditermächtigungen aus dem Jahr 2020 von 9,9 Millionen Euro wieder zurückgeben, weil sie nicht benötigt wurden.
Der Schuldenstand liegt am Ende von 2022 voraussichtlich bei rund 31 Millionen Euro. Der Schuldenstand solle laut Bender in den Folgejahren weiter sinken (2023: 30 Millionen Euro). In den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 belief sich der Schuldenstadt auf 15 Millionen beziehungsweise 22 Millionen Euro.
Die Sache mit dem Festzeltplatz-Anbau
Gute Nachrichten gibt es für viele Projekte, die im Haushalt 2021 noch zurückgestellt wurden. Ein Beispiel: der Anbau am Festzeltplatz in Bohlingen. 2022 taucht das Projekt im Finanzpapier mit Kosten von 300.000 Euro auf.

Regina Brütsch (SPD) betont, dass es das falsche Signal sei, wenn man das Vorhaben wieder streichen würde. „Das Ehrenamt braucht gerade in diesen schweren Zeiten ein Signal“, sagt sie. OB Häusler ergänzt: „Die Vereine brauchen diesen Zeltanbau dringend.“ Er merkte auch an, dass die Bohlinger Sichelhenke 2022 zurückkehren werde.
Das sagen die Stadträte
Walafried Schrott bezeichnet den Haushalt 2022 als einen zum Durchschnaufen. „Wir bekommen etwas Luft und können uns finanziellen Speck anlegen“, sagt er. Dennoch betont der SPD-Stadtrat, dass man diesen auch mit Blick auf die folgenden Jahre brauchen werde. „Wir haben im Moment in der mittelfristigen Finanzplanung etwa kein neues Hallenbad drinnen“, so Schrott. Auch das angestrebte Ziel, 2035 komplett klimaneutral zu agieren, werde eine Menge Geld kosten. Eberhard Röhm (Grüne) sieht dies ähnlich: „Der Haushalt sieht rosig aus, wenn man die Zahlen für sich betrachtet.“ Aber man müsse sich laut Röhm dennoch auch in Zukunft die Frage stellen, was man sich alles leisten könne und auch möchte. Er bezieht sich auch auf die Kita in der Nordstadt. „Diese scheint vom Tisch zu sein“, so Röhm.
Dirk Oehle (Neue Linie) sieht in der Zukunft ebenfalls Dinge, die es zu diskutieren gelte. „Übertriebenen Luxus dürfen wir uns trotz der erfreulichen Haushaltslage 2022 nicht leisten“, betont er. Dabei gehe es nicht um Projekte und Vorhaben, die dringend nötig seien – etwa die Sanierung des Daches des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums. Laut Kämmerin Heike Bender rechne die Stadtverwaltung hier mit Kosten von 1,6 Millionen Euro. Hubertus Both (FW) blickt mit Sorge auf die Konsolidierung: „Wir werden irgendwann an einen Punkt kommen, wo wir nicht mehr weiter kürzen können.“