Kommt sie oder kommt sie nicht? – "Zwischendrin haben wir immer wieder mal ein bisschen gezittert", sagt der Vorsitzende des Singener CDU-Ortsverein Franz Hirschle. Er hat das Sichelhenkenzelt für den großen Wahlkampfauftakt mit der Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Andreas Jung für den Tag vor dem großen Bohlinger Volksfest angemietet. Der Kandidat beschwichtigt: "Seit Juni ist die Ministerin bei Wahlveranstaltungen unterwegs und war noch nie unpünktlich." Er soll recht behalten.
Der Donnerstag ist zeitlich knapp getaktet. Deshalb spricht Jung zuerst. Seit 2005 vertritt der 42-Jährige die Region in Berlin als Abgeordneter im Bundestag. Und er will weitermachen. Jetzt zieht er Bilanz, listet auf, was aus seinen Versprechen geworden ist. Fluglärm, Gäubahn-Ausbau, Ausbau der B33 zwischen Allensbach und Konstanz, Digitalisierung in der Fläche, Fracking. All diese Themen habe er erfolgreich im Sinne der Region vertreten. Jung redet ohne Manuskript. So frei kann er sein Publikum ins Auge fassen und die Reaktionen abschätzen. Schnell wird klar, dass Bohlingen für ihn ein Heimspiel ist. Zustimmung ist ihm gewiss. Protest? Fehlanzeige. Hier im Festzelt honorieren die Menschen die Arbeit des Abgeordneten. Und dafür lassen sie ihn, wie er feststellt, nicht im Regen stehen.
"Bohlingen liegt 783 Kilometer von Berlin entfernt", ruft Jung den Menschen in Erinnerung. "Viel weiter geht es nicht. Und trotzdem werden wir in Berlin gehört." Anders als in ländlichen Regionen in Frankreich oder USA, wo sich die Menschen von der Politik vergessen fühlten und deshalb rechte Strömungen unterstützten, würden die Menschen hier mit ihren Sorgen ernst genommen.
Jetzt ist der Moment für den Besuch der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gekommen. Von Hohentengen ist sie inzwischen mit ihrem Sicherheitstross angereist. Von Müdigkeit keine Spur. Im Gegenteil, sie scheint das Bad in der Menge zu genießen. Beim Einmarsch der zierlichen Blonden spielt der Musikverein das Badnerlied und die Menschen erheben sich von den Bänken. Ortsvorsteher Stefan Dunaiski erklärt ihr das Bohlinger Traditionsfest sowie die Dorfgeschichte und richtet gleich noch einen Appell an die Ministerin: "Steuererleichterung für ehrenamtliche Vereine, das würde viel erleichtern."
Am Ende wird Ursula von der Leyen den Bohlingern versprechen, dass sie das Thema bei Finanzminister Wolfgang Schäuble platzieren wird. Doch zuvor präsentiert sie sich als Energiebündel, erzählt Anekdoten aus der eigenen Jugend als Tochter des Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, präsentiert bürokratische Stilblüten aus Gesetzestexten, zieht Vergleiche zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg. Eingehend hat sie sich mit der Region befasst. Dass sie die erste Rednerin im Bohlinger Festzelt ist, quittiert sie mit einem: "Willkommen im 21. Jahrhundert.
" Überhaupt setzt sie ihre Rolle als Frau an der Spitze der Bundeswehr pointiert in Szene, gibt Einblicke in die besondere Sprache der Soldaten. Ursula von der Leyen liebt Wortspiele, amüsiert ihr Publikum mit Kalauern und nimmt sich gelegentlich selber auf die Schippe. Immer wieder gelingt es ihr das Publikum im Zelt zum Lachen zu bringen, bevor sie sich den ernsten Themen widmet. Für Andreas Jung ist es ein gelungener Abend.
Ein Tag der Ministerin
Die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat neben dem Wahlkampf das übliche Tagesgeschäft zu erledigen. Ihr heutiger Tag war also geprägt von internen und externen Verpflichtungen. So war sie am Morgen bei einer Veranstaltung des "Zentrums Innere Führung" bei der Impulsveranstaltung "Innere Führung heute". Gegen 15 Uhr kam sie von Berlin über Zürich nach Hohentengen, um um 17 Uhr zu sprechen. Von dort ging es im Eiltempo nach Bohlingen, wo sie um 20 Uhr mit Andreas Jung und Stefan Dunaiski zum Badnerlied ins Sichelhenkenzelt einlief.