Stille Wasser sind tief. Der Spruch passt nicht nur zu manchen Menschen, sondern auch zum Bodensee. Denn vielen Menschen, die hier schon lange leben, dürfte nicht bekannt sein, was da im Wasser so alles lebt.
So erschraken jetzt Spaziergänger auf der Insel Reichenau, als sie plötzlich ein hummerartiges Wesen am Seeufer liegen sahen. Kurz darauf erreichte die Redaktion eine Mail mit der Bitte um Aufklärung.
Kamberkrebs – gar nicht mal selten
Sowohl Eberhard Klein vom Nabu-Bodenseezentrum als auch Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle Langenargen stellten fest: Es handelt sich um ein Exemplar des Kamberkrebses, einer aus Nordamerika eingeschleppten Tierart, die sich in den vergangenen Jahrzehnten im Bodensee stark vermehrt hat.
Eberhard Klein erklärt, einige typische Merkmale des Kamberkrebses seien die orangefarbenen Scherenspitzen, Dornen am Rand des Nackenschildes, eine einfache Augenleiste und rotbraune Streifen auf dem Schwanzsegment.
Schon seit den 80ern im Bodensee
Laut Brinker stammt der Kamberkrebs (Fachbezeichnung: Faxonius limosus) wie die meisten eingeschleppten und invasiven Krebsarten aus Nordamerika. Diese Art sei bereits um das Jahr 1880 nach Europa eingeführt worden. „Inzwischen ist er die häufigste Flusskrebsart in Mitteleuropa und in allen großen Flussgebieten weit verbreitet“, so der Experte.
„Die ersten Nachweise im Bodensee datieren auf die 1980er, wo er erstmals im Uferbereich um die Mainau beobachtet wurde. Seitdem breitet er sich beständig entlang der Ufer aus und kommt aktuell fast rings um den gesamten Bodensee vor. Im Untersee und dem Überlinger See erreicht er dabei die höchsten Dichten und wird dort auch regelmäßig aufgefunden.“
Krankheiten rotten andere Arten aus
Und das sei ein Problem. „Als Überträger einer für europäische Flusskrebse tödlichen Tierseuche, der sogenannten Krebspest, ist sein Vorkommen eine ernsthafte Bedrohung für die heimischen Flusskrebse.“ Brinker nennt ein Beispiel: Früher gab es im Uferbereich des Konstanzer Trichters Steinkrebse. Wegen der Ausbreitung des Kamberkrebses gebe es ihn im Bodensee nun nicht mehr.
Der Reichenauer Berufsfischer Stefan Riebel und seine Kollegen vom Untersee und Rhein haben oft Kamberkrebse in den Netzen. Es seien in den vergangenen Jahren noch mehr geworden, vor allem im Winter, wenn die Netze mehrere Tage im Wasser sind.
Für die Fischer sei das zunächst unangenehm, weil sich die Krebse mit ihren Scheren an den Netzen festhalten. Da gehe oft was an den Maschen kaputt. Und: „Man muss sie vorsichtig lösen, damit die Schere nicht abreißt.“ Dabei würden die Kamberkrebse auch schon mal nach den Fingern des Fischers schnappen. „Das ist gut spürbar“, so Riebel.
Verwertbar seien sie nur zum Teil, erklärt der erfahrene Berufsfischer. Es gebe zwar einige Gastronomen in der Region, die diese Tiere abnehmen und daraus Krebssuppe kochen, sie für Fischfond mit verwenden oder das Fleisch als Einlage.
Zu klein zum Verkauf
Aber dafür geeignet seien vor allem größere Exemplare, weil es sich sonst nicht lohne, das Krebsfleisch aus der Schwanzschale zu puhlen. Und der Kamberkrebs werde nur maximal zwölf Zentimeter lang. Zudem sei er für die Fischer nicht sehr rentabel.
Die Krebse müssten sortiert und gereinigt, der Darm entleert sein, dann bekomme man in der Gastronomie zehn bis 15 Euro pro Kilogramm. Doch dazu brauche es schon recht viele Exemplare, so der Vorsitzende des Fischereivereins Untersee und Rhein.
Er habe auch schon größere Kamberkrebse in seinem eigenen Fischimbiss verarbeitet und angeboten, so Riebel, aber eher so als Gaudi nebenbei. Wobei Riebel betont: „Die schmecken einwandfrei – so wie alle Krebsschwänze.“