Petra Reichle radolfzell.redaktion@suedkurier.de

Herr Aichelmann, was hat Sie motiviert, in den Gemeinderat zu gehen?

Mit ist es wichtig, dass alle Ortsteile eine starke Stimme und ein Stimmrecht im Gemeinderat haben. Leider wurde in Radolfzell die sogenannte „Unechte Teilortswahl“ abgeschafft, während sie beispielsweise in Stockach noch gilt. Diese Regelung sieht vor, dass jeder Ortsteil auch einen Sitz im Gemeinderat hat. Ich persönlich finde das eine sehr faire Regelung. Nachdem ich zum 1. Oktober 2018 das Amt des Ortsvorstehers in Stahringen übernommen habe, habe ich mich bereits im Mai 2019 als Kandidat der Freien Wähler für einen Sitz im Gemeinderat beworben. Ich vertrete eine neutrale Position und unterliege keinem Fraktionszwang, das ist mir wichtig. Trotzdem sind mir natürlich die Belange der Ortsteile besonders wichtig. Dass ich für den langjährigen Gemeinderat Josef Klett, der Zeit seines Lebens eng mit Stahringen verbunden ist und unheimlich viel für unser Dorf geleistet hat, nachrücke, ist für mich und alle Stahringer besonders schön.

Sie nehmen bereits seit 2018 als Ortsvorsteher Stahringens an den Sitzungen des Gemeinderats teil. Wie beurteilen Sie dessen Arbeit, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Viele Themen ziehen sich unheimlich in die Länge. Ich arbeite bereits seit 1997 in einem Industrieunternehmen, hier gibt es für alle Projekte einen Aktionsplan, in dem alle Schritte genau geplant und farblich markiert werden. Sobald eine Aktion sich verzögert, wird sie gelb markiert und es wird aktiv gegengesteuert, um den Zeitplan einzuhalten. Aus meiner Sicht könnten im Gemeinderat manche Themen effektiver und zielführender diskutiert und entschieden werden.

Jürgen Aichelmann (links) wird von OB Simon Gröger in der jüngsten Gemeinderatssitzung verpflichtet.
Jürgen Aichelmann (links) wird von OB Simon Gröger in der jüngsten Gemeinderatssitzung verpflichtet. | Bild: Christof Stadler

Welche Themen sind Ihnen in Ihrer Rolle als Gemeinderat besonders wichtig?

Ich würde mich selbst als Dorfkind bezeichnen, deshalb liegt mir das Leben im Dorf besonders am Herzen und entsprechend möchte ich gemeinsam mit den anderen Ortsvorstehern die Belange der Ortsteile im Gemeinderat besonders vertreten. Geprägt von meiner Kindheit und Jugend in den Radolfzeller Schulen und Vereinen sind mir zudem deren Belange besonders wichtig.

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Neben Ihrem Sitz im Gemeinderat werden Sie auch in Ausschüssen vertreten sein. Steht schon fest, welche Ausschüsse das sein werden?

Es ist geplant, dass ich im Ausschuss für Planung, Umwelt und Technik (PUT) vertreten sein werde, hier würde ich für Josef Klett nachrücken. Unter anderem bedingt durch die jahrelange Diskussion um die Erschließung des Stahringer Baugebiets „Zum Freiwiesle“ habe ich bereits eng mit dem PUT zusammengearbeitet und freue mich, hier meinen Beitrag leisten zu können. Außerdem ist geplant, dass ich Mitglied des Kulturausschusses werde. Über meine Vertretung in den Ausschüssen wird der Gemeinderat am kommenden Dienstag einen Beschluss fassen.

Wenn Sie einen Zauberstab hätten, was würden Sie gerne am Gemeinderat verändern?

Das wäre definitiv die Sitzungslänge. Es gibt sicher Themen, die zu Recht sehr viel Zeit und Austausch benötigen. Aber es passiert auch immer wieder, dass selbst scheinbar kleine Themen zu einer stundenlangen Diskussion führen und die Sitzungen unnötig in die Länge ziehen.

Ein Thema, das den Gemeinderat und die Bürger seit Jahren bewegt, ist das Streuhau. Welche Position vertreten Sie?

Das ist natürlich ein sehr komplexes Thema, zu dem es zunächst eine Entscheidung gab, die nun jedoch zu einer Kehrtwendung geführt hat. Wie bereits erwähnt, sind mir die Belange der Jugend und der Vereine besonders wichtig. Es wurde nun der Beschluss gefasst, die Bebauung zu verlegen. Der neue Standort würde für die dort ansässigen Anlagen der Vereine und der Jugend gravierende Auswirkungen haben. Ich denke, dass dies sicher noch umfassend diskutiert und abgewogen werden muss.

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Denken Sie, dass die Belange der Ortsteile im Gemeinderat genügend berücksichtigt werden?

Das muss ich verneinen, ich persönlich würde mir mehr Wertschätzung für die Ortsteile selbst, aber auch für die Arbeit des Gremiums Ortschaftsrat wünschen. Es gab zum Beispiel eine Situation, in der ein bereits gefällter Offenlagebeschluss so geändert wurde, dass der ursprüngliche Plan nicht mehr umsetzbar war. So geschehen beim Stahringer Baugebiet „Unterm Freiwiesle“. Dies sorgte nicht nur für Unverständnis, sondern auch für unnötige Verzögerungen im Planungsprozess zu Lasten der Bürger. Zudem fällt mir auf, dass es zu Themen eines Ortsteils mitunter Aussagen gibt, die ich als salopp empfinde. Ich würde mir wünschen, dass man sich bei Themen der Ortsteile mehr auf das Urteil des jeweiligen Ortsvorstehers verlässt, der ja gemeinsam mit dem Ortschaftsrat fundierte Ortskenntnisse hat und sozusagen das Sprachrohr der Bürger ist.

Fragen: Petra Reichel