Das Leben von Josef Martin ist eng mit Booten und dem Bodensee verbunden. „Als ich die Augen aufgemacht habe, habe ich Boote gesehen“, beschreibt der Bootsbauermeister aus Radolfzell seine Wurzeln. Aus dieser frühen Prägung ist eine tiefe Liebe geworden. In den Werfthallen auf der Mettnau entstehen edle Holzboote, die auf allen Meeren der Welt unterwegs sind.

Meist sind es Segelboote, die der 75-Jährige an seinem Schreibtisch entwirft. Hier zeichnet er die Baupläne für die begehrten Liebhaberstücke noch per Hand, mit Blick auf den Bodensee, heißt es in einer Pressemitteilung der Handwerkskammer Konstanz.

Vor allem jetzt im Sommer zieht es ihn aufs Wasser. „Segeln lenkt mich ab. Ich bin dann in einer anderen Welt und kann den Betrieb und die Sorgen hinter mir lassen“, beschreibt Josef Martin die Bedeutung des Sports für ihn. Auf der selbstgebauten Segelyacht packt ihn der Ehrgeiz.

Am Zeichentisch werden die Ideen aufs Papier gebracht: Josef Martin entwirft die Holzboote selbst und geht dabei auf die Wünsche der ...
Am Zeichentisch werden die Ideen aufs Papier gebracht: Josef Martin entwirft die Holzboote selbst und geht dabei auf die Wünsche der Kunden ein. Steht die Zeichnung, wird alles nach Plan in den Werfthallen in die Realität umgesetzt. | Bild: Kipping, Julia

„Ich liebe es, mit Wind, Wasser und Segeln zu spielen und durch den richtigen Trimm das Beste aus dem Boot herauszuholen.“ Wichtig sei ihm dabei aber auch die richtige Mannschaft. Wenn es zur Regatta geht, besteht diese auf der großen Segelyacht aus 16 Personen. „Für harmonisches Segeln muss das Team stimmen“, sagt Martin, der als Steuermann die Kommandos gibt.

Anspruchsvoll ist der Bootsbauermeister auch bei der Arbeit. Um die 90 Holzboote wurden bislang in der Werft gebaut – Segelyachten, Motorboote und Rudergundeln. Das größte war an die 20 Meter lang. Dabei geht Josef Martin immer auf die Kundenwünsche ein.

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Ein Bootsbauer muss Wind, Wetter und Wasser verstehen

„Meine Kunden kommen zu mir, weil sie sich den Traum von einem Boot erfüllen wollen, das genau ihren Vorstellungen entspricht. Deshalb ist jedes Boot ein Unikat und eine neue Herausforderung“, sagt er. Eineinhalb bis zwei Jahre dauert es etwa, bis es eine Segelyacht vom Papier aufs Wasser schafft. Eine wichtige Bedingung: „Ich baue nur schöne Boote.“

Getrieben von Perfektionismus und Ästhetik entstanden zahlreiche Schmuckstücke, immer aus Holz, meist Mahagoni. Edel glänzende Oberflächen und weiße Segel lassen jedes Seglerherz höherschlagen, ebenso die Fahreigenschaften auf dem Wasser. „Ein Bootsbauer muss Segler sein“, sagt Josef Martin. „Nur wenn er Wind, Wetter und Wasser versteht, kann er seine Kunden richtig beraten.“

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Deswegen bekommen die Auszubildenden bei der Martin-Werft die Segelstunden auch gleich mit. „Bei mir gibt es die überbetriebliche Ausbildung als Mannschaft an Bord“, so Martin, der im Juli zwei Auszubildende mit auf einen Zehn-Tages-Törn auf der Ostsee in Dänemark mitgenommen hat. Der Bootsbauermeister schätzt, dass er in seinem Handwerkerleben an etwa 140 Auszubildende sein Wissen weitergeben hat, in der Werfthalle und auf dem Wasser.

„Für meinen Vater war klar: Der Bub wird Bootsbauer“

Schon als Kind war Josef Martin immer zwischen den Booten und segelnd auf dem See unterwegs. Sein Vater Joseph Martin Senior hat die Werft 1931 gegründet. Das Wohnhaus befindet sich noch heute auf dem Werftgelände. „Für meinen Vater war klar: Der Bub wird Bootsbauer“, erzählt Martin.

Doch die Karriere war kein Selbstläufer. Noch während der Ausbildung in Friedrichshafen verstarb sein Vater. Mit 24 Jahren und einem Meistertitel in der Tasche übernahm Josef Martin Junior 1974 die Werft, die seine Mutter bis dahin kommissarisch geführt hatte.

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Auch heute ist der Betrieb noch in Familienhand. Ehefrau Silke, selbst gelernte Bootsbauerin und studierte Betriebswirtin, organisiert das Büro. Sohn Sven machte nach der Bootsbauerlehre seinen Bachelor in Schiffsbau und unterstützt nun in der Werkstatt. In der Werft werden neben dem Neubau auch Boote restauriert und wieder instandgesetzt. Das mache zusammen mit der Vermietung der Liegeplätze etwa 50 Prozent der Aufträge aus, so Martin.

In seinem Büro blickt Martin auf einige Modelle der Boote, die er gebaut hat. Einen 100-Quadratmeter-Seefahrtskreuzer, Schärenkreuzer und Yachten – alle von einem Modellbauer nachgebaut und in Glaskästen präsentiert. Unter den Standmodellen gibt es einen 40er-Schärenkreuzer, Baujahr 1923. Das Wrack davon wartet in einer der Werfthallen. Martin träumt davon, es wieder zum Leben zu erwecken und auf dem Bodensee zu testen.