Eine Kita, Büros, eine Kletterhalle oder ein Luxushotel in einer Kirche: All das gibt es schon in unterschiedlichen Städten Europas. Was erstmal eigenartig klingt, könnte auch im evangelischen Kirchenbezirk Konstanz irgendwann zur Realität werden – zumindest eine Umwidmung sakraler Räume.
Denn auch die evangelische Landeskirche hat immer weniger Mitglieder und nimmt folglich immer weniger Kirchensteuer ein. Und der Unterhalt von Kirchen und Gemeindehäusern ist teuer. Beide Faktoren führen dazu, dass der Kirchenbezirk Konstanz nicht umhinkommt, bis 2032 mindestens ein Drittel seiner Kosten einzusparen. Dies ist die Vorgabe der Badischen Landessynode.
Dafür gibt es zwei Stellschrauben: Gebäude und Menschen. Markus Weimer, Dekan im evangelischen Kirchenbezirk Konstanz, erläutert: „Wir haben im Bezirk 35 Gebäude. Diese werden alle nach einem Ampelsystem klassifiziert. Nur 13 davon werden als ‚grün‘ markiert und auch künftig von der Kirche bezuschusst.“
„Gelb“ bedeutet im Ampelsystem einen Wartezustand. „Das gibt uns nur mehr Zeit zu überlegen, was mit diesen Gebäuden passieren soll“, erklärt Uwe Ziegler, Vorsitzender der Bezirkssynode. „Realistischerweise erhalten sie nicht mehr den Status Grün, sondern sind fast auf derselben Stufe wie beim Status Rot.“

Der wiederum bedeutet, dass keine kirchlichen Zuschüsse mehr fließen. „Das heißt aber nicht, dass diese Kirchen und Gemeindehäuser verfallen und wir einen Bauzaun drumherum aufstellen“, beruhigt Sandra Mauch, Bezirksbeauftragte für Fundraising und Spenden.
Es müssten kreative Lösungen gefunden werden, wie auch die als rot beampelten Gebäude sinnvoll weiter genutzt werden könnten – und wer dafür bezahlt. „Es wird auch darum gehen, dass die verschiedenen evangelischen Gemeinden Gebäude gemeinsam belegen“, sagt Markus Weimer.

Entscheidung fällt im September 2024
Welche diese 13 Gebäude sind, in die die evangelische Kirche auch künftig Geld steckt, steht noch nicht endgültig fest. Ein Architekt legte zwar einen Vorschlag vor, der mit allen 21 Ältestenkreisen im Bezirk und mit weiteren Gremien und Gläubigen diskutiert wurde, um möglichst breiten Konsens herzustellen. Doch die endgültige Entscheidung fällt erst im September 2024 im Bezirkskirchenrat.
„Für manche Gebäude gibt es drei oder vier Nutzungsvarianten“, sagt Dekan Weimer. „Und sobald es um Erbpacht oder Denkmalschutz geht, wird es kompliziert.“ Zu bedenken sei auch, dass die Kirchengebäude bis 2040 klimaneutral werden sollen. Die Landeskirche gibt außerdem bestimmte Finanzierungsgrenzen vor, sodass in Konstanz nur zwei Gebäude auf „Grün“ gesetzt werden können.

Sollte die Entscheidung fallen, dass weiterhin kirchliches Geld in die Lutherkirche fließt, könnte sogar gar kein weiteres kirchliches Gebäude in Konstanz bezuschusst werden. Denn allein die Sicherung der Statik kostet laut Markus Weimer „viele Millionen Euro“.
Die Lutherkirche steht auf Schwemmland und sei gerade „gut austariert“, doch allein die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach wäre eine statische Herausforderung. „Das ist kein Ausschlusskriterium der Lutherkirche für den Status Grün im Ampelsystem“, sagt der Dekan, „aber es ist durchaus herausfordernd.“

Aufgrund der „unschätzbaren Akustik“ sei der Erhalt der Kultur- und Konzertkirche wünschenswert. „Aber selbst mit kirchlicher Unterstützung wird dafür unfassbar viel Geld benötigt“, sagt Markus Weimer.
Jetzt räche es sich, dass die Sanierungspläne, die 2015 vorlagen, nicht umgesetzt wurden. „Damals wäre das finanziell noch machbar gewesen“, bedauert er. Doch Streit innerhalb der Luthergemeinde, Einwände von Kirchenmusikern und der Stadt Konstanz brachten die Pläne zum Erliegen.

Dennoch sollen laut Markus Weimer keine Schuldigen gesucht, sondern Lösungen für die Zukunft gefunden werden. „Das sind langfristige Prozesse“, bestätigt Sandra Mauch. „Wir wollen nichts planen, das in fünf Jahren schon nicht mehr bezahlbar ist.“
Ein Citypastor soll für frischen Wind sorgen
Gebäude sind das eine, Personal das andere. Die evangelische Kirche im Bezirk Konstanz muss bis 2032 vier Pfarrstellen und 1,5 Diakonstellen einsparen, die mit Kirchengeld finanziert werden (weitere werden über Spenden bezahlt). „Das läuft zeitlich aber gut mit Pensionierungen zusammen“, sagt Sandra Mauch.
Außerdem soll ab Herbst 2024 jemand eingestellt werden, der sich für die Konstanzer Stadtgemeinden um neue Ansätze der evangelischen Kirche kümmert – eben losgelöst von Räumen. „Der neue Kollege hält auch mal Gottesdienste am See, in Kneipen oder mitten in der Stadt“, freut sich Uwe Ziegler. „Wenn Menschen nicht mehr in die Kirche gehen, muss Kirche eben zu den Menschen kommen.“

Das ist das Stichwort für Markus Weimer. „Trotz des strengen Sparkurses ist die Stimmung bei uns nicht im Keller“, sagt er. „Im Gegenteil: Die Innenstadtgemeinden sind erstmals richtig zusammengerückt und wir spüren große Aufbruchstimmung, auch geistlich-theologisch.“
Die evangelische Kirche wolle einfacher, demütiger und wagemutiger werden, erläutert der Dekan. „Einfacher, weil wir überkommene Strukturen überdenken. Demütiger, weil wir anerkennen, dass Kirchen in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft keine Deutungshoheit mehr haben. Und wagemutiger, weil wir prüfen, was wirklich unser Kern ist, wo Christus drinsteckt – und was wir über Bord werfen können, weil es gar nicht unsere Aufgabe ist.“