Es ist ein tägliches Glücksspiel für Fähre-Pendler: Früher aufstehen und losfahren, um mit der gewünschten Fähre rechtzeitig zur Arbeit zu kommen? Und wie lange dauert es am Abend, bis man nach Feierabend zuhause ankommt? Großen Andrang und damit verbundene Wartezeiten an den Fähreanlegern in Staad und Meersburg sind Pendler gewöhnt. Eigentlich. Sie kennen das vor allem von den Sommermonaten, wenn für die vielen Touristen die Kapazitäten nicht ausreichen.
Doch zurzeit gibt es kaum Tagesgäste und trotzdem mitunter Wartezeiten von bis zu 40 Minuten. Ein Pendler verbringt so durchaus mal mehr als eine Stunde am Tag mit Warten im kalten Auto. Und auch Fußgänger haben Verspätungen zu ertragen. Besonders ärgerlich dabei: Das Problem ist hausgemacht und absichtlich herbeigeführt. Denn die Stadtwerke setzen seit Mitte Dezember weniger Schiffe ein. Und das könnte bis April so weitergehen.
Für Pendler, von denen viele eine Jahreskarte gekauft haben, bedeutet das: Die Stadtwerke halten ihr Leistungsversprechen nicht, obwohl Kunden dafür im Voraus bezahlt haben. Die Änderung der Taktzeit von 15 auf 20 Minuten hat zur Folge, dass pro Stunde in Staad oder Meersburg keine vier sondern nur noch drei Fähren ablegen. Die Beförderungskapazität ist also um rund 25 Prozent reduziert. Die Preise bleiben aber gleich.
Eine Jahreskarte für ein Auto bis fünf Meter Länge kostet laut aktuellem Stadtwerke-Tarif 1812,60 Euro. Wenn ein Vierteljahr lang der Fährbetrieb um 25 Prozent eingeschränkt ist, entspricht das einem Wert von 113 Euro. Bezahlen müssen das die Pendler, auch mit ihren angespannten Nerven und der ständigen Ungewissheit: Wie lange muss ich diesmal ausharren?
Offiziell führen die Stadtwerke als Begründung für die Streichung der vierten Fähre gesunkene Fahrgastzahlen an. Pendler merken davon zu den Stoßzeiten jedoch kaum etwas. Denn im Kern geht es um eine Sparmaßnahme. Weil durch die Pandemie weniger Touristen kommen und sich im Jahresschnitt die Fahrgastzahlen reduziert haben, verzeichnen die Stadtwerke weniger Einnahmen. Um aus dem Fährbetrieb dennoch Gewinn abzuschöpfen, sollen Kosten reduziert werden, indem weniger Fähren eingesetzt werden. Die Zeche zahlen mit den Berufspendlern ausgerechnet die treuesten Kunden des Fährbetriebs.
Betreiber führt auch die Ökobilanz an
Sie stellen sich nicht nur diese Frage: Ist das Vorgehen der Stadtwerke wirklich klug? Wer sich direkt an den Fährebetreiber wendet und auch auf Nachfrage des SÜDKURIER führen die Stadtwerke neben finanziellen Gründe für die Einschränkungen auch die Ökobilanz an. Wohl nur wenige können das nachvollziehen, wenn in der Folge mehr Autos um den See fahren. Denn viele Pendler sind auf ihr Fahrzeug angewiesen.
Und welchen Beitrag leistet eigentlich ein städtischer Betrieb zur Bewältigung der Pandemie? Durch den reduzierten Fahrplan versammeln sich mehr Fußgänger im Oberdeck. Eigentlich müssten Kontakte reduziert werden. Und zur Beruhigung des allgemeinen Corona-Frust trägt die Sparmaßnahme auch nicht gerade bei.
So gibt es an Bord täglich meist nur dieses eine Thema, das sich in hitzigen Diskussionen und mitunter wütenden Gesten zwischen Fahrgästen und Fährepersonal ausdrückt. Frustriert von den ständigen Beschwerden schütteln die Stadtwerke-Mitarbeiter an Bord oder beim Platzdienst auch nur noch den Kopf und drücken unverblümt ihr Unverständnis aus. Offen kommunizieren sie gegenüber Fahrgästen, dass es jederzeit möglich wäre, wenigstens zu den Pendler-Stoßzeiten zum regulären 15-Minuten-Takt zurückzukehren.

Das sei aber „von denen da oben“ nicht gewollt. So bekommen sie den Ärger ab und können zudem nicht erklären, warum beim reduzierten Betrieb nicht wenigstens die modernen und großen Schiffe eingesetzt werden. Mit der „Meersburg“ und der „Konstanz“ sind regelmäßig zwei der kleinsten und ältesten Fähren im Einsatz, die geringere Kapazitäten aufnehmen können.
Fährependler sind einiges gewohnt und nehmen durchaus auch mal Einschränkungen in Kauf. Vielen fehlt derzeit aber das Verständnis für das Vorgehen der Stadtwerke – und erst recht für die Ankündigung, dass womöglich erst im April der Normalzustand zurückkehrt.
Was halten Sie von den Sparmaßnahmen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung: leserbriefe@suedkurier.de