Dass er sich in die Konstanzer Gesellschaft einbrachte, dass er gar Stadtverordneter der SPD war und im Bürgerausschuss saß, interessierte am 22. Oktober 1940 nicht mehr. Berthold Wieler und seine Frau mussten die Koffer packen, die Nationalsozialisten deportierten das jüdische Ehepaar in ein Lager im südfranzösischen Gurs. Die Erfahrungen dort zeichneten es für den Rest des Lebens. Zwei Stolpersteine erinnern ab 3. Mai an die beiden.
Berthold Wieler wuchs mit vier Schwestern an der Oberen Laube 64 auf, dort, wo sein Vater eine Firma für Garne und Kurzwaren besaß. Nach dem Besuch der Primar- und Realschule in Konstanz absolvierte Berthold Wieler eine kaufmännische Lehre bei Nestlé in Vevey, anschließend arbeitet er im väterlichen Geschäft mit und übernahm es später mit seinem Vetter David. Aus der Ehe mit Anna Wieler gingen zwei Kinder hervor, wie Birgit Lockheimer für die Stolpersteine-Verlegung recherchierte. Die Familie wohnte ab 1913 in der Schützenstraße 30.
Firma musste aufgelöst werden
Berthold Wieler engagierte sich auch stark in der Jüdischen Gemeinde. Er kümmerte sich um aus Österreich nach Konstanz geflohene Juden und verhalf ihnen zum Grenzübertritt in die benachbarte Schweiz. 1939 musste das Ehepaar erneut umziehen: in ein "Judenhaus" an der Döbelestraße 4. Die Kinder lebten bereits nicht mehr in Konstanz. Zu diesem Zeitpunkt hatte Berthold Wieler auf Druck der Nationalsozialisten die Firma bereits auflösen müssen.
22. Oktober 1940: Die Nationalsozialisten deportieren das Ehepaar Wieler zusammen mit mehr als 100 weiteren Konstanzer Juden nach Gurs, dem größten Internierungslager in Frankreich, in das vor allem Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland gebracht werden. Unter menschenunwürdigen Bedingungen müssen die Wielers den Alltag in dem Lager verbringen, wo die Menschen aufgrund der katastrophalen hygienischen Zustände schwer erkranken. Im März 1941 darf das Ehepaar in eine Gemeinde nahe der Grenze zu Spanien umziehen, später dürfen sie in die Schweiz ausreisen. Berthold Wieler erkrankte psychisch und physisch. Er habe, schreibt Birgit Lockheimer, mehrere Monate in der Psychiatrie verbracht. Im März 1948 starb er im Alter von 72 Jahren. Anna Wieler zog zu ihrer Tochter Erika in die USA. Sie starb im Juni 1974 mit 91 Jahren.
Termin: Die Initiative Stolpersteine – Gegen Vergessen und Intoleranz verlegt am Mittwoch, 3. Mai, für Berthold und Anna Wieler Stolpersteine an der Schützenstraße 30.