Schon als Kind hat Irma Münch Theater gespielt. Mit einem gespannten Seil und einer Decke als Vorhang stand sie schon früh im Rampenlicht. Die Bühne: ihre Straße in Sonneberg. Das Publikum: ihre Freunde. Heute ist Irma Münch 87 Jahre alt und macht immer noch Theater – professioneller, als sie es noch als Kind tat. Aber nicht mit weniger Leidenschaft.

Ab Freitag steht Münch im Theater Konstanz auf der Bühne. Gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter Hannelore Koch spielt sie im Stück "Gestern ist auch noch ein Tag" mit. Die beiden haben privat eine enge Beziehung, auf der Bühne werden sie dann aber zu Kolleginnen. Das Stück dreht sich um eine konfliktvolle Begegnung zwischen einer Mutter und ihrer Tochter. Persönlich hat Münch das ganz anders erlebt: "Ich hatte ein ganz wunderbares Verhältnis zu meiner Mutter", sagt die freischaffende Schauspielerin. Bei der Premiere ist sie vor allem gespannt auf die Reaktion des Publikums auf die Hauptpersonen und für welche der beiden das Publikum mehr Verständnis haben wird. "Es ist ein Unterschied, wie man angeguckt wird", sagt Münch. "Wenn das Publikum auf sensible Passagen reagiert, dann ist man schon glücklich." Das Publikum der Konstanzer Werkstattbühne ist ihr gut in Erinnerung geblieben: "ein besonderes Publikum", das auch anspruchsvolle Theaterstücke sehr schnell verstehen würde.

Ein langes Leben auf der Bühne

Mit 18 Jahren ist Münch auf die Schauspielschule in Berlin gegangen. Drei Jahre später hatte sie ihr erstes Engagement am Staatstheater Schwerin. Es folgten weitere Jahre in Potsdam, in Berlin und beim Schauspielensemble des Deutschen Fernsehfunks in der DDR. Dass sie in ihrem hohen Alter immer noch auf der Bühne steht ist für Münch eigentlich selbstverständlich. "Plötzlich ist man 60 und dann soll das Gelernte einfach zuende sein? Ich habe noch eine Menge in mir, was ich noch ausdrücken will", sagt Münch. Deshalb war im Rentenalter auch noch nicht ans Aufhören zu denken. Fit genug ist die Schwiegertochter von Bernhard Minetti, einem bekannten deutschen Schauspieler, zumindest noch. Laufen, Schwimmen und eine ausgewogene Ernährung – all das hält die 87-Jährige für die Bühne und das Leben fit. "Auch der Kontakt mit jungen Menschen ist dafür sehr wichtig", sagt sie.

Seit ihrem ersten Engagement als Schauspielerin sind mittlerweile 66 Jahre vergangen. Die Erfahrung hilft zwar bei der Vorbereitung auf eine Rolle, trotzdem ist jedes Stück wieder wie ein Neuanfang. Münch erinnert sich, dass ihr Schwiegervater nach jahrzehntelanger Spielerfahrung mal eine Rolle bekam, die ihn verzweifeln ließ. "Er war wie ein Anfänger", sagt Irma Münch. Damals war sie verwundert über Minetti. Heute kann sie ihn sehr gut verstehen: "Ein langes gespieltes Leben spielt keine Rolle, wenn man vor einer neuen Rolle steht", sagt sie. Mit jedem Stück geht es für die erfahrene Schauspielerin wieder von vorne los.

Vielleicht die letzte Premiere

Es ist kaum auszumalen, wie viele Texte Münch in ihrer Karriere schon gelernt haben muss. Doch die Uraufführung von "Gestern ist auch noch ein Tag" hat ihren Fleiß geweckt: Noch nie sei sie beim Lernen eines Textes so fleißig gewesen, gibt Münch zu. Den Text zum Stück musste sie sich erarbeiten – und das rund um die Uhr. "Bei manchen Passagen muss ich aufpassen, dass ich die nicht laut auf der Straße sage", sagt sie. Ihre Rolle und die Konflikte im Stück raubten ihr ebenso oft den Schlaf. "Jeder, der das Stück gesehen hat, kann sich vorstellen, dass man wegen des Stücks oft nachts aufwacht", sagt Münch.

Ob sie für die Uraufführung in Konstanz auf der Bühne stehen wird, hat Münch sich gemeinsam mit Koch gut überlegt. "Ich will mich nicht mehr für etwas anstrengen, wovon ich nicht so viel halte", sagt sie. Doch die Inszenierung in Konstanz hat sie überzeugt. Es könnte eine ihrer letzten sein. Denn als Münch ihren Koffer für die Abreise gepackt hatte und ihre Wohnungstür hinter sich schloss, da habe sie gedacht: "Das ist jetzt das letzte Mal, dass ich zu einer Premiere fahre." Koch glaubt nicht an ihren Abschied vom Theater. Die Antwort bleibt offen. Es sei einfach ein Gefühl gewesen, so Münch. Das Gefühl, mit "Gestern ist auch noch ein Tag" ihren letzten Neubeginn auf der Theaterbühne zu wagen.

 

Spielzeiten

Die Uraufführung des Stücks "Gestern ist auch noch ein Tag" startet am Freitag, 27. Oktober, in der Werkstatt des Theater Konstanz. Beginn der Vorstellung ist um 20 Uhr. Weitere Aufführungen sind für den 28. Oktober sowie am Silvesterabend, 31. Dezember, geplant. Der Text wurde von Kirsten Stina Michelsdatter, die auch das Stück "Schwarz ohne Zucker" schrieb, speziell für Hannelore Koch und Irma Münch verfasst. Regie führt Andreas Pril.