Haben Sie manchmal auch diese Stimme im Ohr? Die Stimme, die Ihnen vorwurfsvoll zuraunt: „Warum hast Du denn überhaupt Kinder bekommen, wenn Du keine Zeit mit ihnen verbringen willst!?“ Meistens kann ich die ganz gut ignorieren. Aber in der Vorweihnachtszeit meldet sie sich vermehrt. Denn da ist es besonders schlimm, wenn man als Elternteil nicht für sämliche Aktivitäten rund um das besinnliche Fest zu begeistern ist.
Es fängt mit dem St. Martinsumzug an, für den schon im Vorfeld gemeinsam mit den Eltern gebastelt wird, und bei dem meist eher die Eltern die Laternen tragen als die Kinder. Dann kommt der Nikolaus, am besten noch im Wald, total urig, aber saukalt und mit matschigen Schuhen und verfrorenen Kindern verbunden, danach der Weihnachtsbasar in der Schule, am Ende das Klassenfest kurz vor Weihnachten mit selbstgebackenen Keksen. Bei alledem soll man als Elternteil dabei sein, und das auch noch genießen. Dabei hat man im Dezember so viel zu erledigen, dass man kaum weiß, wo einem der Kopf steht.
Wer hat so viel Zeit!?, frage ich mich...
Das liegt vielleicht daran, dass ich alleine mit drei Kindern lebe und Geld verdienen muss. Andererseits habe ich es, verglichen mit meinen Nachbarn, noch gut: Ich bin selbstständig und kann mir meine Zeit frei einteilen. Aber meine Nachbarn, die als Verkäuferin, Maler, Krankenpflegerin oder Taxifahrer arbeiten, können das nicht. Die müssen dann Schichten umlegen oder den Chef um Urlaub bitten, weil sonst Zuhause zutiefst enttäuschte Kindergesichter drohen und das schlechte Elterngewissen zuschlägt.
Ich finde, das Ganze ist etwas aus dem Ruder gelaufen. Als ich klein war, gab’s überhaupt keine Feste, bei denen die Eltern mit erwartet wurden. Auch keine Waffelstände für die Klassenkasse, keine Adventsbasare, schon gar nicht Wichteln mit Geschenken für die Grundschulfreunde, wo sich die Kinder gegenseitig Geschenke machen sollen, die mit gemeinsamen Aktivitäten verbunden sind, zum Beispiel Kekse backen bei Mama Müller.
Denn auch das kostet am Ende wieder wessen Zeit?
Genau, die der Eltern. Irgendwie scheint bei den Erziehern und Lehrern nicht angekommen zu sein, dass Eltern heutzutage nicht mehr überwiegend aus einem voll berufstätigen Vater und einer Hausfrau bestehen. Oder wie soll ich mir sonst diesen Wust an Veranstaltungen erklären?
Sind gute Eltern nur die, die immer Zeit für all diese Events finden? Und für wen machen wir das, für die Lehrer, die Kinder oder die Familien? Ich für meinen Teil bin ganz froh, dass die Zeit des gemeinsamen Bastelns, Wichtelns, des Frierens bei Nikolausumzügen im Wald und der Weihnachtsfeiern in Kita und Grundschule vorbei ist, weil die Kinder nun alle zu groß dafür sind.
Mir fehlt nix
Wobei – einmal gab’s, als die Große noch im Münsterkindergarten war, nach dem St. Martinsumzug (mit echtem Pferd!) feinen Glühwein. DAS war schön. Ist aber heute sicher verboten, weil Alkohol vor Kindern zu trinken zunehmend kritisch gesehen wird. In diesem Fall muss ich sagen: Schade eigentlich. Mir ist das nämlich als ausnehmend schönes Fest in Erinnerung geblieben.
Neue Kolumne
Dieser Text ist eine Premiere: Die Kolumne zum Wochenstart. Jeden Montag werden vier Gastautoren abwechselnd über das Konstanzer Stadtleben schreiben, jeder aus seinem Blickwinkel und mit seiner Expertise. Denn Experten sind sie alle, weil sie Konstanz auf spezielle und intensive Weise erleben: die Buchautorin und Bloggerin Christine Finke, der bloggende Fahrradkurier Eddie Kessler und die Ortshistoriker Johannes Hof und Ralf Seuffert.