Jedes Mal waren es 500 Euro. Zwischen den Transaktionen lag meistens ein Tag, bisweilen waren es sogar nur wenige Stunden. Als ein Konstanzer, der eine hochbetagte Dame in Geldangelegenheiten unterstützt, die Kontoauszüge sieht, traut er seinen Augen nicht. Ob sie denn wirklich so oft so viel Geld gebraucht habe? Die Bekannte verneint. Der Mann wird misstrauisch und beginnt zu rechnen. 12 500 Euro, sagt er, wurden von dem Konto der Seniorin entnommen, ohne dass die 94-Jährige dies veranlasst hatte. Nachdem er bei der Postbank an der Marktstätte vorgesprochen hatte, ist ihm schnell klar: Das ist ein Fall für die Kriminalpolizei.
Tatsächlich ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft, nachdem es bei der Filiale zu Unregelmäßigkeiten gekommen waren. Das bestätigen dem SÜDKURIER Bernd Schmidt von der Pressestelle des Polizeipräsidiums und Andreas Mathy, der Sprecher der Konstanzer Staatsanwaltschaft. Und auch die Postbank räumt ein, dass in der Filiale Marktstätte etwas schief gelaufen ist. Eine Presseprecherin teilt dazu mit: "Zu unserem großen Bedauern ist es in unserem Finanzcenter Marktstätte in Konstanz zu Unregelmäßigkeiten durch einen Mitarbeiter gekommen. Die Postbank hat diesen Vorfall durch eigene Kontrollen aufgedeckt. Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass ein einzelner Filialmitarbeiter Geld von Kundenkonten abgehoben hat. Dazu war der Filialmitarbeiter nicht berechtigt."
Während die Postbank keine genauen Angaben machen will, wie der inzwischen entlassene Mitarbeiter an das Geld von mindestens drei Kunden kam, sagt Staatsanwalt Mathy immerhin, es seien Unterschriften gefälscht worden. Der Konstanzer, der die betrogene Seniorin betreut, spricht von Bar-Auszahlungen. Auf dem dafür nötigen Papier habe der Bankmitarbeiter die Unterschrift der Seniorin gefälscht. Ermittelt werde wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung, sagt dazu Mathy.
Die 94-Jährige ist nicht die einzige Geschädigte. Die Postbank-Sprecherin und der Staatsanwaltschaft sprechen beide von bisher drei bekannten Fällen. Die Frage, ob auch hier Hochbetagte geschädigt wurden, und um welche Summen es bei ihnen ging, lässt die Bank unbeantwortet. Nur soviel: "Nach bisherigen Erkenntnissen liegt die Schadenshöhe in einem niedrigen fünfstelligen Bereich", sagt die Sprecherin, die Staatsanwaltschaft nennt ebenfalls diese Dimension. Nachdem die Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien, habe das Unternehmen selbst Anzeige gegen ihren Mitarbeiter erstattet. Der Mann sei zunächst suspendiert worden, "inzwischen hat sich die Postbank von dem Mitarbeiter getrennt."
Zumindest im Fall der 94-Jährigen ist der Schaden noch nicht vollständig reguliert, obwohl er bereits Mitte März Anzeige erstattet habe. Das versichert der Bekannte der alten Dame. Die Geschädigten sollen aber nicht auf dem Verlust sitzen bleiben: "Den betroffenen Kunden wird der entstandene Schaden selbstverständlich erstattet", antwortet die Postbank auf einen Fragenkatalog des SÜDKURIER. Falls sie zu dieser Zusage steht, bleibt den Geschädigten immerhin eine Zivilklage erspart, während die Postbank dann gegen ihren Ex-Mitarbeiter vorgehen kann. Ob der gegenüber seinem Arbeitgeber oder den Ermittlern die Taten eingeräumt hat, dazu wollen weder Postbank noch Staatsanwaltschaft etwas sagen.
Die strafrechtlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Nach Informationen des SÜDKURIER schließen die Behörden nicht aus, dass sich womöglich weitere Geschädigte melden oder dass auch noch Fälle bekannt werden, in denen unberechtigte Abbuchungen versucht, aber nicht ausgeführt wurden. Untersuchungshaft gegen den Tatverdächtigen wurde laut Staatsanwaltschaft nicht verhängt, und es scheint auch keinen Komplizen zu geben: "Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass es sich um einen Einzeltäter handelt, der mit kriminellem Geschick und internen Kenntnissen gehandelt hat", so die Postbank.
Laufende Ermittlungen
Details zu dem Fall teilen Staatsanwaltschaft und Postbank nur sparsam mit und verweisen auf laufende Ermittlungen. Eine Anklage ist demnach noch nicht erhoben und dürfte noch auf sich warten lassen. Ermittelt wird im Moment wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung. Dies schließt aber nicht aus, dass der Tatverdächtige auch wegen Untreue oder Betrugs angeklagt wird. Auf alle drei Delikte stehen Geld- oder mehrjährge Haftstrafen. Am weitesten reicht die Strafandrohung mit sechs Monaten bis zehn Jahren Haft bei Betrug in besonders schweren Fällen. Dies liegt zum Beispiel vor, wenn das Gericht feststellt, dass Täter gewerbsmäßig oder als Teil einer Bande gehandelt oder eine Person in wirtschaftliche Not gebracht haben. (rau)