Gottmadingen – Die Bühne im Foyer der Eichendorff-Schule war voll: Es war nicht ganz leicht, dort 45 Musiker mit ihren Instrumenten unterzubringen. Darunter auch Fredi Sonderegger, der sich im zweiten Musikstück aus der Masse schälte und sich mit seiner Posaune auf eine abenteuerliche Reise durch Dissonanzen, chromatische Tonleitern und kecke Zwischentöne begeben sollte. Doch noch fügte sich der St. Galler Soloposaunist beim „Heilsberg-Traditionsmarsch“ von Stefan H. Bretz ganz harmonisch in das Orchester ein. Es war das Jahreskonzert des Gottmadinger Musikvereins, bei dem alles aufgefahren wurde, was man sich nur vorstellen kann. Also ein Paukenschlag, mit dem sich der neue Dirigent Vicente Sierra vorstellte. Ein Programm, das den Musikern einiges abverlangte. Sie hatten die anspruchsvollen Stücke seit Sommer geprobt und folgten nun voller Vertrauen dem detailreichen und temperamentvollen Dirigat des Spaniers.

Doch ganz ohne Worte ging es natürlich nicht. In ihrer Begrüßung der Zuhörer im voll besetzten Foyer beschrieb Petra Hennig den Geist einer neuen Vereinsära. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Neues zu gestalten, ohne mit der Tradition zu brechen“, sagte die Vorsitzende. Neu waren im Orchester das Klavier und ein Cello. Getrieben von Leidenschaft und Konzentration folgten die Musiker einem Leitsatz ihres Dirigenten: „Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.“ Diese zu lesen sei nicht schwer; um sich aber in die Herzen der Menschen zu spielen, müsse man die Noten fühlen. Dem Applaus nach zu urteilen, ließen sich die Gottmadinger auf die Musik ein und öffneten ihre Herzen weit.

Peter Gassner hatte die Rolle des Moderators übernommen und mit viel Fantasie geschichtliche Hintergründe mit Zeitgeist verknüpft. Stück für Stück schälte er sich hinter seiner Tuba hervor, um dem Publikum auf humorvolle Weise Brücken zum nächsten Stück zu bauen. Von der Gipfelbesteigung des Heilsberg(-Marschs) bis zum Katz-und-Maus-Spiel von Tom und Jerry waren einige Klippen zu überwinden. Denn diese legendäre Verfolgungsjagd, diese Hassliebe, seien für Ferrer Ferran Vorlage für das Soloposaunenstück „Tbon und Jacques“ gewesen. Hier hatte Fredi Sonderegger seinen großen Auftritt, der nach großem Applaus noch von einem kleinen Solostück gekrönt wurde. Dazu hatte Sonderegger „Mippy“ von Leonard Bernstein ausgewählt. Doch wie kriegt man die Kurve von der Jagd durchs heimische Wohnzimmer an den österreichischen Kaiserhof und zu Sisi? Kein Problem für Peter Gassner, der mit einem Blick in die Geschichtsbücher die musikalischen Sequenzen des Musicals „Elisabeth“ neu interpretierte. Mit einer verbindenden Geste forderte Vicente Sierra von seinen Musikern die volle Konzentration, denn nun sollten die zahlreichen Stimmungs-, Tempo- und Rhythmuswechsel die ganze Aufmerksamkeit fordern. Man konnte die Percussionisten mitzählen sehen.

Es lässt sich schwer in Worte fassen, was sich zwischen Musikern und Publikum alles abspielte. Mit dem Paso Doble „Leonoreta“ von Ivan Romero und „Man in the Ice“ von Otto M. Schwarz ging es nach der Pause genauso virtuos weiter wie im ersten Teil. Hier erzeugte die Musik Bilder von Stierkämpfen oder von einer naturgewaltigen Bergwelt. Immer wieder zeigten Musiker ihr solistisches Können und ernteten viel Applaus. In „The Legend of Maracaibo“ von José Alberto Pina ging es um Konkurrenz im Goldrausch und „Danzón Nr. 2“ von Arturo Márquez entführte die Zuhörer nach Lateinamerika. Das rhythmisch vertrackte Stück, bei dem die fünf Schlagzeuger jede Menge zu tun hatten, war angesichts des rasant ansteigenden Tempos vermutlich die größte Herausforderung für die Musiker. Das Publikum dankte es ihnen mit Bravorufen. Mit zwei Zugaben und vielen Dankesworten endete ein mit Emotionen prall gefüllter Abend.