Wolfgang Schreiber

In der Morgenfrühe des 10. November 1938 erscheinen zahlreiche SA- und SS-Leute aus Radolfzell. Gailingens jüdische Bevölkerung wird in der Turnhalle zusammengetrieben und muss später mit ansehen, wie ihre Synagoge gesprengt und in Brand gesetzt wird. Am Nachmittag werden die jüdischen Männer verhaftet und ins Konzentrationslager nach Dachau transportiert.

"Dieser staatlich inszenierte Zivilisationsbruch ist von fanatischen Nationalsozialisten verübt worden und geschehen unter den Augen der Menschen, die bis dahin Nachbarn waren," sagte Ingbert Sienel. Gailingens Bürgermeisterstellvertreter sprach am Donnerstagabend auf der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Novemberpogroms auf dem Platz, wo die Synagoge gestanden hat. Er bezeichnete es als unerträglich, dass "in unserem Land wieder Synagogen, jüdische Kindergärten, Schulen und Gemeindehäuser geschützt werden müssen".

Ingbert Sienel legt am Gedenkstein der Gailinger Synagoge einen Kranz nieder.
Ingbert Sienel legt am Gedenkstein der Gailinger Synagoge einen Kranz nieder. | Bild: Wolfgang Schreiber

"Wehret den Anfängen", rief er den annähernd 100 Menschen zu, die zu der Gedenkfeier gekommen waren. Am Gedenkstein legte er einen Kranz nieder. Zuvor hatten Schüler der Gailinger Internatsschule Friedrichsheim zum Geläut der Kirchenglocken Zitate von Dietrich Bonhoeffer, Nelly Sachs, und Erich Fried vorgetragen. Im Guggenheimsaal des Jüdischen Museums sagte anschließend Matthias Stahlmann, Pfarrer der evangelischen Pfarrei Gailingen/Büsingen, dass "die Kirche damals komplett versagt" hat. Er forderte, dass alle Menschen sich dafür einsetzen müssten, dass solche Greueltaten nicht mehr geschehen.

Joachim Klose, Geschäftsführer des Vereins für jüdische Geschichte, schilderte anschließend beispielhaft das bis heute nachwirkende Schicksal von Walter und Berta Seligmann, ihrer elfjährigen Tochter Henny und des dreijährigen Herbert. Unter den 100 Teilnehmern der Gedenkfeier war wohl der Einzige, der das Pogrom erlebt hat, Gert Wolf aus Wangen. Er war damals zehn Jahre alt und schilderte mit wenigen, aber eindrücklichen Worten seine Erinnerungen.