Sagen Sie mal, Frau Roosen, seit wann und warum pilgern sie?
Cynthia Roosen: Mit dem Pilgern haben mein Mann und ich 2017 begonnen und tun es seitdem so oft wir können auf verschiedenen Jakobswegen. Der Start war ein Vorschlag einer Freundin. Ich wusste vom Jakobsweg nur, dass viele ihn gehen und total beeindruckt sind. Ich wusste auch, dass es ein Buch von Hape Kerkeling gab. Mein persönliches Interesse beschränkte sich auf das Wandern. Erst während der ersten Woche 2017 änderten ein paar Erfahrungen und Begegnungen meinen Bezug zum Pilgern komplett. Seitdem bin ich vom „Camino-Virus“ befallen. Im letzten Jahr habe ich begonnen, auch alleine zu gehen. Eine andere Erfahrung, mit anderen Herausforderungen.
Ihr Pilgern steht seit diesem Jahr unter einem neuen Stern. Wie kam es dazu?
Cynthia Roosen: Im Frühjahr dieses Jahres stieß ich über Facebook auf Sven Hardt. Er gründete den Verein Charity Hiker. Der Verein verfolgt das Ziel, durch Spendenwanderungen, projektbezogene Spenden zu generieren, welche Organisationen und Institutionen, die sich vor allem um schwerkranke Kinder kümmern, eins zu eins übergeben werden. Sven startete sein Projekt im Sommer 2024.
Seitdem ist er unterwegs vom Nordkap ans Ende der Welt, nach Finisterre. Nach Abschluss dieses Hikes sind weitere Projekte geplant. Das hat mich sehr fasziniert und schnell kam bei meinem Mann und mir der Wunsch auf, auch unseren Pilgertouren diesen Sinn zu geben. So wurden wir Mitglied im Verein. Der Slogan „Hike for a smile“, den sich Sven gegeben hat, trifft es sehr gut. Ich habe meinem Projekt den Slogan „Laden-Atmen-Leben Back to life“ gegeben.
Sie kommen aus Dachau bei München und wandern für das Hegau-Jugendwerk in Gailingen. Wie kam es denn dazu?
Cynthia Roosen: Als ich wusste, dass ich das machen möchte, wollte ich ein eigenes Projekt starten. Ich begab mich im Internet auf die Suche nach einer Einrichtung für schwerkranke Kinder. Ich stieß auf das Hegau-Jugendwerk in Gailingen und stöberte auf der Homepage. Schnell war klar, dass ich diese Einrichtung unterstützen möchte. Also habe ich das HJW zu Beginn meiner Tour besucht und konnte mir persönlich von der Arbeit ein Bild machen. Von der Notwendigkeit der geplanten Anschaffung des neuen besonderen Hilfsmittels für Kinder bin ich überzeugt. Es ist leider sehr teuer und dafür werden dringend Spenden gebraucht.
Was für eine Anschaffung ist das?
Cynthia Roosen: Ich unterstütze die Anschaffung eines pädiatrischen Exoskeletts für die stationäre und ambulante Therapie. Ich war sofort überzeugt, dass das ein wichtiges Gerät ist. Das ist quasi ein mobiler Gangtrainer für die kleinen Patienten, das im Ausland schon mit großem Erfolg eingesetzt wird. Im Moment gibt es das in ganz Deutschland noch in keiner Klinik. Aktuell bin ich am Rhein unterwegs und gehe ab Konstanz entlang des Jakobswegs und der Via Rhenana. Diese Tour endete nach 135 Kilometern zu Fuß am 15. September in Basel. Meine Unterstützung für dieses Projekt wird aber danach von zu Hause weiter gehen, denn ich will mich auch danach um Spenden und Sponsoren bemühen. Auch von meinem Schreibtisch aus, denn ich bin von diesem Projekt total überzeugt.
Wie gestaltet sich ihr Pilgeralltag?
Cynthia Roosen: Mein Pilgeralltag ist sehr einfach: als erster Programmpunkt steht morgens eine Qigong-Übung auf dem Plan, dann Frühstück, Wandern, Duschen, Wäschewaschen und Abendessen. Normalerweise übe ich danach nochmals Qigong. Zu gehen und damit Kinder darin zu unterstützen, dass auch sie gehen können – das passt für mich sehr gut zusammen.
Wie motivieren Sie Menschen, für das Projekt Exoskelett zu spenden?
Cynthia Roosen: Im Moment verwende ich viel Zeit darauf, für das Projekt Werbung zu machen. Für mich steht an erster Stelle, dass sich jeder sicher sein kann, dass Spenden zu 100 Prozent dort ankommen, wo sie hinsollen und nicht in irgendwelchen Werbeprojekten oder Verwaltungsarbeiten zu landen. Jeder Cent kommt der geplanten Anschaffung des Exoskeletts zugute. Auch sehr wichtig ist das konkrete Projekt. So weiß jeder genau, wofür das Geld verwendet wird.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen auf dieser Tour?
Cynthia Roosen: Bisher verlief die Tour sehr schön. Ich genieße die Landschaft und die Freundlichkeit der Menschen sehr. Das Besondere an dieser Tour ist die Unterstützung, die ich bekomme. Alle Übernachtungen wurden gesponsert. Es wäre sonst sehr schwierig geworden, bezahlbare Unterkünfte zu bekommen.
Das Thema Bewegung scheint in Ihrem Leben eine große Rolle zu spielen.
Cynthia Roosen: Die Fähigkeit, über 20 Kilometer am Tag mit Voll-Gepäck zu gehen, wurde mir nicht geschenkt. Geboren mit einer schweren Hüft-Dysplasie war ich eine Kandidatin für ein Leben voller OPs und entsprechenden Gehhilfen oder Rollstuhl. Es kostete viel Mühe und Anstrengung, dieses Schicksal abzuwenden. Dass es mir gelungen ist, hat mir Mut gemacht und die Zuversicht ganz groß werden lassen. Ich möchte, dass so viele Menschen wie möglich, ähnliche Erfahrungen machen dürfen. Das Motto meiner Tour: „Lachen-Atmen-Leben Back to life“ drückt dieses Ziel wohl am besten aus.