Ein sperriger Begriff macht Grundstücksbesitzern in Bodman-Ludwigshafen Angst: Bodenrichtwerte. Diese Zahlen werden für die Ermittlung der Grundsteuer benötigt. Aber warum sind sie in den vergangenen Jahren zum Schreckgespenst geworden? Zahlen wirklich alle am See künftig mehr Grundsteuer?
Von manchen Seiten kommen Vorwürfe gegen den Gutachterausschuss, der die neuen Werte ermittelt hat, oder die Aussage, dass so alteingesessene Bürger vertrieben werden könnten. Für direkte Gespräche mit dem SÜDKURIER und Namensnennungen war niemand bereit. Doch bei den Kandidatenvorstellungen für die Bürgermeisterwahl kamen Fragen zu diesem Thema auf.
Extreme Verkäufe sind nicht in der Statistik
Wie bedrohlich sind die Bodenwerte wirklich? Wie sind sie entstanden? Und wie haben sie sich verändert? Auf SÜDKURIER Nachfrage bringt Klaus Gohl aus Bodman Licht ins Dunkel. Er ist der Vorsitzende des Gutachterausschusses von Bodman-Ludwigshafen. Die Gemeinde hat sich im Jahr 2018 nicht dem gemeinsamen Gutachterausschuss Bodensee West angeschlossen, sondern der Gemeinderat hat einen eigenen Ausschuss formiert, damit auch Eigenheiten der Seegemeinde berücksichtigt werden konnten.

Der Gesetzgeber will Gerechtigkeit
Die Ermittlung neuer Bodenrichtwerte sei gesetzlich vorgeschrieben, erklärt Gohl, der auch hauptberuflich mit Immobilien zu tun hat. Der Gesetzgeber habe das Gefälle zwischen Altbeständen und neueren Besitzfällen eliminieren wollen. Denn wer seit Jahrzehnten ein Grundstück besitze, sei bei der Grundsteuer nach den Bodenrichtwerten von 1963 herangezogen worden, während Käufer in den vergangenen Jahren deutlich mehr bezahlen mussten – teilweise das Mehrfache, so Gohl.
Das Bundesverfassungsgericht habe den Gesetzgeber beauftragt, dies zu ändern. Das Ziel sei dabei, dass die, die früher weniger bezahlt haben, nun mehr bezahlen müssten. „Das hat aber mit dem Ausschuss nichts zu tun“, stellt Gohl klar. „Das Bundesverfassungsgericht wollte die Leute stärker heranziehen, die die 1963er-Grundsteuer zahlen. Es gibt keine Möglichkeit, dem auszuweichen.“
Bodenrichtwerte sind so niedrig wie möglich
Aber Gohl sagt auch: „Das klare Ziel der Politik ist es, die Bodenrichtwerte so niedrig wie möglich zu halten, da sonst nur die Spekulation befeuert würde.“ Der Ausschuss habe daher alles herangezogen, was möglich gewesen sei, um die Werte so niedrig wie möglich zu halten. „Wir sind eine attraktive Gemeinde. Das wirkt sich bei Grundstücksverkaufspreisen aus. Die Käufer bezahlen die Summen, die verlangt werden. Es gehören immer zwei Seiten dazu.“
Mit 114 Verkaufsfällen sei eine hohe statistische Genauigkeit machbar gewesen. Gohl erklärt außerdem, extreme Ausreißer nach oben oder unten seien ausgeklammert worden, um die Statistik nicht zu verfälschen.

Warum es in Bodman ein Zickzack gibt
Im Vergleich zu 2018 haben die Zonen der Bodenrichtwerte nun andere Größen sowie Formen und können sehr unterschiedlich sein – auch wenn die Grundstücke direkt nebeneinander liegen. Gohl hebt als Beispiel die Kaiserpfalzstraße in Bodman hervor, die auf der Bodenrichtwert-Karte ein Zonen-Zickzack hat. Das liege daran, ob ein Grundstück Seezugang habe oder nicht. Die Flächen mit Seezugang haben nun höhere Bodenrichtwerte als die anderen.

Laut Gohl schreibt der Gesetzgeber vor, die Möglichkeiten von Grundstücken zu berücksichtigen, also zum Beispiel deren Größe, egal ob eine Scheune oder ein Mehrfamilienhaus darauf stehe.
Nachbesserungen, Kritik und Lob
Nach der Veröffentlichung der Werte seien 24 Einsprüche eingegangen. Die Fälle seien geprüft und rund die Hälfte sei nachkorrigiert worden. Das Kuriose dabei: „Wir waren verwundert über Einsprüche, die vorher höhere Werte hatten als jetzt.“ Gohl schließt daraus, dass diese Einwohner sich früher nie mit den Zahlen auseinandergesetzt haben.
Die Debatte habe sich bereits etwas beruhigt, schildert er. Von vereinzelten Personen gebe es Kritik und Stimmungsmache, auf der anderen Seite stehe zwischenzeitlich aber auch viel Lob und Anerkennung. „Wir haben auch viele positive Rückmeldungen erhalten“, erzählt Gohl. „Die Bodenrichtwerte waren noch nie so genau ermittelt wie jetzt. Das nehme ich für uns in Anspruch.“
Auch für Klaus Gohl wird es wohl teurer
Und er selbst? Obwohl das Gerücht kursiert, dass in Gohls Umgebung niedrigere Bodenrichtwerte als früher seien, ist es umgekehrt. Die Zahl habe sich mehr als verdoppelt, sagt er. Gohl wohnt allerdings in Bodman in einem Mischgebiet. Dort unterscheiden sich die Werte von reinen Wohngebieten, da gewerbliche Nutzung oder Teilnutzung generell deutlich niedriger als reines Wohnen bewertet werde. Er betont zudem, dass er die Leitung der Sitzung, in der es um seine Heimatzone gegangen sei, abgegeben habe an seinem Stellvertreter Daniel Lindenmayer und eine Stunde nicht anwesend gewesen sei.
Gohl beschreibt die Zwickmühle bei den Bodenrichtwerten: Wenn jemand einen Kredit auf sein Grundstück aufnehmen wolle, seien höhere Zahlen für eine Bewertung bei der Bank gut. Doch wenn es zum Beispiel um die Grundstücksbewertung für die Erbschaftssteuer gehe, seien sie nachteilig.

Neue Hebesätze für die Grundsteuer sind noch nicht entschieden
Kritik hin, Lob her: Die Bodenrichtwerte stehen zwar fest, aber die künftige Grundsteuer noch nicht. Laut Gohl sei noch gar nicht bekannt, wer in der Zukunft wirklich wie viel zahlen müsse, da der Gemeinderat erst noch die neuen Hebesätze festlegen müsse. Aus diesen und den Bodenrichtwerten errechnen sich später die Grundsteuern. Wann genau das geschieht, ist noch offen. Vielleicht erst unter dem neuen Bürgermeister, vermutet Gohl. Der Gemeinderat erhält zwar am Dienstag, 4. April, Informationen zu den Bodenrichtwerten und Vergleiche zu andere Orten, legt aber noch keine Hebesätze fest.
Eines weiß Gohl jedoch: „Der Gesetzgeber hat in Baden-Württemberg festgelegt, dass das Grundsteueraufkommen gleich bleiben soll. Der Rat muss es so gestalten, dass es im Rahmen bleibt.“ Wer jedoch früher wenig bezahlt habe, werde unter Umständen mehr bezahlen müssen, da der Gesetzgeber Gerechtigkeit schaffen wolle.
Frage-Viertelstunde wird zu langer Diskussion
Update: Im Gemeinderat gab es am Dienstagabend eine lange Diskussion, da mehrere Einwohner die Frage-Viertelstunde nutzen, um Kritik an den Bodenrichtwerten zu äußern. Dabei äußerte eine Anwohnerin etwa die Befürchtung, dass Bodman-Ludwigshafen zu einem Sylt 2.0 wird – also einem Ort, in dem keine Einheimischen mehr wohnen. In der Diskussion wurde anschließend deutlich, warum besonders Besitzer von großen, unbebauten Flächen höhere Grundsteuer fürchten müssen – und welcher überraschend weniger zahlt.