Der Vorwurf: Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz. Dreimal soll ein Mann eine Auflage missachtet haben, die es ihm untersagte, sich einem Jungen ohne vorheriges Einverständnis mehr als 50 Meter zu nähern. Am Amtsgericht Tettnang wurde der 56-Jährige nun zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Eltern des zum Zeitpunkt der verhandelten Fälle elfjährigen Jungen schilderten vor Gericht einhellig, dass der als Zusteller tätige Angeklagte in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gegen 4.30 Uhr morgens nicht nur direkt gegenüber des Hauses der Familie geparkt, sondern dort auch verweilt und laut Musik gehört habe. Der Vater beschrieb das Verhalten des Mannes als „Schikane“ und „Retourkutsche“ für das zu jenem Zeitpunkt bestehende Annäherungsverbot zu dem Jungen.
Anfangs stimmten die Eltern gemeinsamen Ausflügen zu
Die im Bodenseekreis lebende Familie hatte den Mann den Zeugenaussagen der Eltern zufolge vor sechs Jahren kennengelernt. Irgendwann habe er sie gefragt, ob er ihren Sohn mit zum Fischen nehmen könne, so die Mutter des Jungen. Da Nachbarn den Mann als vertrauenswürdig einstuften, hätten sie zugestimmt. Alle zwei Wochen hätten die Treffen anfangs stattgefunden, ihr Sohn habe die Ausflüge genossen. Dann seien die Treffen häufiger geworden, sie hätten als Eltern bremsen müssen. Komisch sei ihnen das Erlebte damals noch nicht vorgekommen. „Mir wurde erst klar, wie krank das alles war, als ich bei der Polizei saß und alles erzählt habe“, so der Vater.
Später habe ihr Sohn erzählt, dass der Mann ihn bei einem der Ausflüge umarmt und angefasst habe, schilderte die Mutter, trotz eines „Nein“ habe er nicht damit aufgehört. Einen Tag später habe der Angeklagte dem Jungen an der Bushaltestelle aufgelauert, ihn mitnehmen wollen. Die Mutter eines anderen Kindes sei eingeschritten. Daraufhin hätten sie den Kontakt endgültig abgebrochen, das auch klar kommuniziert.
Anwalt des Angeklagten wirft Zeugen Falschaussagen vor
Verteidiger Claus Weber sah in der Kommunikation der Zeugen zu wenig Klarheit. Er zitierte Nachrichten, die offen ließen, ob man sich nochmals sehen könne; Versandzeitpunkt: kurz vor dem Gang zur Polizei für die Gewaltschutzmaßnahme. Gegen diese hatte er damals schon Widerspruch eingelegt. Die Auflage habe auf Falschaussagen basiert und sei nur so überhaupt zustande gekommen.
„Die Schilderungen des Vaters kann man nicht ernst nehmen“, kommentierte der Strafverteidiger Aussagen des Zeugen außerdem. Dieser Argumentation wollte Richterin Franziska Fischer-Missel allerdings nicht stattgeben: Dass die Mutter einen anderen Ton anschlage als ihr Mann, mache dessen Aussage ihrer Meinung nach nicht unglaubwürdig. „Er hat sich sogar selbst belastet und deutlich geschildert, wie ihn die Situation belastet“, so Fischer-Missel. Tatsächlich hatte der Vater des Jungen beschrieben, wie er den Angeklagten am Telefon bedroht habe: „Ich sagte ihm, wenn er meinem Sohn nochmal zu nahe kommt, dann schlage ich ihn tot.“
„So ist das, wenn man eine Auflage hat“
Letztlich folgte die Richterin der Staatsanwaltschaft und verurteilte den 56-Jährigen zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 35 Euro. Zur Begründung führte Fischer-Missel an, dass er ein beharrliches Verhalten an den Tag gelegt habe. Auch seine Berufsausübung – die hatte er selbst als Begründung angeführt und die Vorwürfe abgestritten – ließ sie nicht als Ausrede für den frühmorgendlichen Aufenthalt gelten: „Sie hätten auch ein Stück weiter weg parken können und den Rest zu Fuß gehen. Das kostet dann eben etwas mehr Zeit. So ist das, wenn man eine Auflage hat.“ Zudem sei durch die Tätigkeit kein sieben- bis zehnminütiger Aufenthalt vor dem Haus zu erklären.