Montag, zwölf Uhr mittags. Die Parkplätze an der Pauluskirche in Schwenningen sind voll besetzt. Jetzt kommen die meisten Menschen dort zur Vesperkirche – einer Aktion, die drei Wochen lang läuft.
Zwischen Kirche und Küche ist Siegfried Kärcher mit einem Geschirrwagen unterwegs. Der ehemalige Leiter der Gewerbeschule Villingen-Schwenningen ist seit 2020 als Helfer bei dem Projekt der evangelischen Kirche dabei. Er gehört zu den rund 380 Ehrenamtlichen, die als eingespieltes Team zusammen arbeiten und dafür sorgen, dass die Vesperkirche läuft.
Die Plätze sind alle voll belegt

Die 80 Plätze im Innenraum der Kirche sind fast voll belegt. An acht liebevoll gedeckten Tischen sitzen jeweils zehn Personen. Pro Tag werden rund 260 bis 300 Essen ausgegeben.

Manche Besucher kommen in Gruppen – wie die Rotarier aus Villingen-Schwenningen. „Wir spenden viel und essen wenig“, witzelt Hardy Pfeiffer.
Der Rotary Club gehört zu den vielen Sponsoren der Vesperkirche, die es ermöglichen, dass jeder Besucher zu einem Symbolpreis von einem Euro ein Menü bekommt.
Das Essen liefert die Küche des Franziskusheims. Sonntags gibt es auch schon mal Hirschragout.
Gemeinsam an einem Tisch
„Das ist hier keine Armenspeisung“, erklärt Reinhold Hummel. Der ehemalige Leiter der Beratungsstelle der Diakonie gehört zum Team der Verantwortlichen der Vesperkirche und kennt die Entwicklung des Projekts.
Unter dem Motto „Gemeinsam an einem Tisch“ seien die Besucher eine gute Mischung der Bürgerschaft der Stadt und in die beste Stube der Kirchengemeinde eingeladen.

Helfer und Besucher würden unterschiedlichen Religionen angehören – oder auch keiner. „Ökumene in Schwenningen entsteht zuerst hier“, erklärt Hummel.
Mit den vielen Menschen mit und ohne Behinderung aus allen sozialen Bereichen sei die Vesperkirche mittlerweile eine große Inklusionsveranstaltung.
Es funktioniert nur zeitlich begrenzt
Das Projekt in der Pauluskirche mit dem hohen Aufwand funktioniere, weil es zeitlich begrenzt sei. Seit dem vergangene Jahr dauere die Vesperkirche drei Wochen.
Danach werde das Angebot als „Vesperkirche Plus“ einmal im Monat in der Evangelisch-Methodistischen Kirche fortgesetzt. Zusätzlich biete die Wärmestube in Schwenningen ein tägliches Mittagessen.

Viele kommen seit Jahren regelmäßig vorbei
Aus den Gesprächen mit Besuchern wird klar: Viele sind seit Jahren regelmäßig dabei. Manche kommen zum ersten Mal, weil sie gehört haben, dass man in der Vesperkirche gut in Gesellschaft essen kann.
Wer mehr zahlt, ist ein Solidaresser
Einer von ihnen ist Tilman Actor. Er wohnt direkt gegenüber der Pauluskirche und arbeitet im Homeoffice. „Ich freue mich, wenn ich in meiner Mittagspause ein paar Gesichter sehe“, erklärt er.
Der junge Mann gehört zu den vielen sogenannten Solidaressern, die freiwillig mehr als den Symbolpreis zahlen. Wie alle Neuankömmlinge wird er von Doris Mayer in Empfang genommen. Nach fünfzehn Jahren Tagesleitung übernimmt die Ehrenamtliche in diesem Jahr die Begrüßung der Besucher.
Auf die Gespräche kommt es an
Kurze Zeit später sitzt Tilman Actor bei einem vegetarischen Essen im Gespräch mit Menschen, die er vorher nicht kannte.
Dazu gehören auch Vivien und Susy Albiker. „Wir sind als Solidaresser von der ersten Stunde an dabei“, erklärt die Ehefrau des Inhabers der Firma Albiker Kachelofenbau. „In Schwenningen gehört es zum guten Ton, dass man die Vesperkirche unterstützt“, beschreibt Susy Albiker das soziale Engagement des Familienbetriebs.
Daneben sitzt Andreas Nachbaur beim Kaffee und genießt die Zeit, bis seine Töchter aus der Schule kommen. Seit seiner Pensionierung ist der Ehemann der Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur engagierter Familienmanager.
Es gibt auch Nahrung für die Seele

Zusätzlich zum Essen gibt es auch Nahrung für die Seele. Mit einem Gedicht von Charlie Chaplin übernimmt Angela Kreutter von der Diakonie im Schwarzwald-Bar-Kreis das „Wort zum Tag“. Eine Trommelgruppe vom Kindergarten Deutenberg sorgt für eine musikalische Einlage.
Sogar die Uroma ist unterwegs

Das Café auf der Empore bietet ein vielfältiges Kuchenangebot. Hier genießen auch Ella und Melissa Lehmann den Nachtisch. Die beiden Mädchen sind mit ihrer Uroma gekommen und waren schon öfter bei der Vesperkirche.
Was ihnen daran am besten gefällt? „Hier sind mehr Leute als woanders“, ist die prompte Antwort der achtjährigen Melissa.
Nach 14 Uhr leert sich der Saal. Es kommen immer noch ein paar Spätberufene, wie Reinhold Hummel sie nennt. Kaffee und Kuchen werden jetzt auch an den Tischen serviert.
Helfer und Besucher haben Zeit für Gespräche. Das ist die Zeit, die Reinhold Hummel genießt. Bei der Vesperkirche ginge es nicht darum, wie viele Mahlzeiten am Tag verteilt würden, erklärt der Hummel. „Der Erfolg der Vesperkirche macht sich an der Ruhe nach dem Essen fest.“