Es sind keine leichte Zeiten für Fahrradhändler und ihre Kunde: „Die Materialverfügbarkeit ist schlecht“, sagt Markus Blust vom Fahrrad-Center ohne Umschweife. Und: „Es wird in den nächsten zwei Jahren nicht besser“, fügt er hinzu.
Derzeit kommen aus seiner Kenntnis mehrere negative Faktoren zusammen. Unter den Corona-Beschränkungen leiden die Lieferketten schon seit zwei Jahren. Komponenten-Hersteller in Fernost haben zum Teil die Produktion eingestellt, manche Häfen sind geschlossen. Jetzt kommt noch der Ukraine-Krieg dazu. Auch dort gibt es Zulieferer von namhaften Fahrradmarken. Einige haben kriegsbedingt ganz geschlossen, andere arbeiten stark reduziert, hat Blust gehört.
Das schlägt sich am Ende der Kette im örtlichen Handel mit Preiserhöhungen und Lieferverzögerungen nieder. Blust beschreibt das so: „Von den Fahrrädern, die wir letztes Jahr im Juni auf der Messe bestellt haben, müssten jetzt 70 Prozent an uns geliefert sein. Aber nur rund 20 Prozent sind da.“

Allerdings, so relativiert er, lohnt sich der Besuch beim Fahrradhändler nach wie vor. Er selbst hat sich auf diese Situation vorbereitet. „Wir haben rund 2000 Räder auf Lager.“ Damit sei eine ausgesprochen breite Auswahl vorhanden. „80 Prozent der Kunden finden hier ein Fahrrad“, ist er sicher. Schwierig werde es nur, wenn Kunden auf ein spezielles, neues Produkt fixiert sind. Bei konkreten Wünschen kann es zu Monate langen Wartezeiten kommen.
Für die Händler wie auch für die Hersteller eine schwierige Situation. Denn die Kundennachfrage ist hoch, doch die Misere wird nach Aussagen von Herstellern mindestens noch zwei Jahre andauern. „Wir müssen jetzt schon für nächstes Jahr Bestellungen aufgeben“, berichtet der Radhändler.
Radbranche profitiert von hohen Spritpreisen
Bei den Kunden ist die Nachfrage nach Zweirädern ungebrochen. Das gilt sowohl für E-Bikes als auch für die klassischen Fahrräder. „Es gibt viele Gründe, sich ein Fahrrad zu leisten“, betont Markus Blust. Ganz aktuell kommt ein trifftiger Grund dazu: Die explodierenden Spritpreise an den Tankstellen.
Ungebrochen ist der Trend zum Elektro-Rad. Die E-Bikes hätten sich inzwischen nicht nur als Freizeit-Gerät durchgesetzt, sondern auch als „richtiges Verkehrsmittel“ etabliert. Beispielsweise für die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz. Rund 60 Prozent seiner verkauften Räder, sagt Blust, seien E-Bikes. Damit ist das klassische Fahrrad aber noch kein Ladenhüter. Aber für diese verzeichnet der Händler rege Nachfrage.
Ersatzteillager gut bestückt
Dementsprechend sehr gut ausgelastet ist laut Blust auch seine Radwerkstatt. Elf Mitarbeiter sorgten hier für eine schnelle Durchlaufzeit. Das Ersatzteillager sei gut bestückt. „Wir müssen keinen Kunden heimschicken, weil wir keine Teile haben“, versichert er.
Die Liefersituation für neue Fahrräder ist nach wie vor schwierig, bestätigt auch das Fahrradgeschäft „Tour“ mit Sitz am Neuen Markt beim Schwarzwald-Baar-Center. „Was wir geordert haben, kommt nur peu à peu bei uns an“, berichtet Jeanette Lauer, zuständig für Verkauf und Marketing. „Bei speziellen Kundenwünschen werde es schwer“, räumt sie ein.
Auch „Tour“ hat angesichts dieser Lage so viel Räder wie möglich im Vorfeld bestellt Außerdem wurden neue Marken ins Programm aufgenommen, um mit einem breiteren Angebot die Kundenwünsche besser befriedigen zu können.

Die Nachfrage sei derzeit besonders hoch, berichtet Jeanette Lauer. Das liegt am allgemeinen E-Bike-Boom, aber auch speziell am aktuellen Räumungsverkauf von „Tour“. Anlass ist der Umzug des Fahrradgeschäfts mit seinen 18 Beschäftigten, das ein paar Häuser weiter zieht: Vom Neuen Markt 14 an den Neuen Markt 2, der bisherigen Autogalerie. Dort findet am 1. April der Neustart statt.
Dass die Elektro-Bikes den Bio-Fahrrädern den Rang abgelaufen haben, bestätigt auch Jeanette Lauer. Bei den Standard-Rädern verkauft „Tour“ inzwischen 90 Prozent mit Elektroantrieb und nur noch zehn Prozent ohne Motorunterstützung. Im Sportbereich, berichtet sie, sehe es anders aus. In diesem Segment greifen Sportler immerhin noch zu 40 Prozent zum Bio-Fahrrad.
Nischenprodukt Bambus-Fahrrad
Neue Trends und Innovationen sieht Lauer derzeit im Fahrradbereich nicht. Grund seien vermutlich die Corona-Probleme der Produzenten, vermutet sie. Zu den interessanten Nischenprodukten im Tour-Angebot gehörten Bambus-Fahrräder, die in Ghana in Handarbeit gefertigt werden. Die gibt es sowohl mit und ohne Elektromotor. Käufer verbinden damit ökologische wie soziale Aspekte. Doch ganz billig sind sie nicht: Die Preise für das Fahrrad aus Bambus beginnen bei 2500 Euro.