Landkreis Rottweil – Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch erleben die Zeit danach oft ganz unterschiedlich: Manche stecken das eher locker weg, andere geraten in ein tiefes seelisches Loch. Eine neue Selbsthilfegruppe soll diesen Frauen helfen.
"Ich hab jemanden kennengelernt, war aber in keiner Beziehung zu ihm." Zögernd erzählt Elvira P.* ihre Geschichte. "Ich wurde dann schwanger, er wollte es nicht, und ich hab dann abgetrieben." Mit diesen 24 Wörtern fasst die junge Frau mit dem dunklen Pferdeschwanz zusammen, was sie seit diesem Frühsommer quält.
Sie hat sich eine heiße Schokolade bestellt. Wir haben uns in einem Café irgendwo zwischen Rottweil, Villingen und St. Georgen getroffen. Die 28-Jährige Elvira P. hat den Kontakt zur Zeitung gesucht, denn sie möchte eine Selbsthilfegruppe Schwangerschaftsabbruch gründen.
Aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, weiß sie, dass ein Schwangerschaftsabbruch eine große seelische Belastung mit sich bringen kann. Sie hatte sich im Frühsommer, gedrängt vom Vater des Kindes, zum Abbruch entschlossen. Und es im Nachhinein bereut. Der Zeitdruck sei groß, der Druck aus dem Umfeld, des möglichen Papas, all das müssten die Frauen oft allein mit sich ausmachen. In dieser Zeit habe sie schon geahnt, dass sie den Abbruch bereuen werde. Den ersten Termin habe sich verstreichen lassen, den zweiten nicht. Den Fötus hat sie bestattet.
"Danach, die ersten zwei Wochen waren der Horror." Sie habe darüber getrauert, dass sie ihr eigenes Kind umgebracht habe. Die Gewissensbisse seien so stark gewesen, dass sie oft an Selbstmord gedacht habe.
"Ich hatte aber das Glück, dass ich in meiner Familie drüber reden konnte, mit Freundinnen und Freunden." Das habe ihr viel gegeben. Aber nicht alle Frauen in ihrer Situation hätten diese Möglichkeit. Über die sozialen Netzwerke habe sie Frauen kennen gelernt, die dies alles allein mit sich selbst ausmachen mussten. "Sie trauen sich oft nicht, mit ihrem Partner über ihre Gefühle zu reden." Den meisten Frauen gehe es ähnlich wie ihr, sie fühlten sich schlecht danach. Deshalb sei ihr der Gedanke mit der Selbsthilfegruppe gekommen.
Der Gesetzgeber habe den Schwangerschaftsabbruch zwar legalisiert. Es gebe die Beratungsstellen, die neutral berieten aber sie nicht über die seelischen Folgen informiert hätten. Auch die Ärzte sprächen immer nur von den körperlichen Folgen eines Abbruchs, die psychischen Belastungen würden außer Acht gelassen.
"Danach steht man dann alleine da." Sie sei auch von anderen Leuten kritisiert worden, sie hätte es nicht verdient, später noch Kinder zu bekommen, hieß es. Sie solle genauso sterben wie ihr Kind, hätten Bekannte ihr gewünscht. "Das tut schon weh."
Elvira P. sieht nach ihrer eigenen Erfahrung Schwangerschaftsabbrüche sehr kritisch: "Man löst ein Problem, hat danach aber ein sehr viel größeres Problem." Sie kenne Frauen, die noch nach Jahren schwere psychische Probleme hätten. Deshalb sollte das Gesetz strenger gefasst werden. Die vorgeschriebene neutrale Beratung hält sie für wenig tauglich.
"Mir hätte es mehr gebracht, hätte ich mit einer Betroffenen darüber sprechen können, die weiß, wovon sie redet." In der Zeit vor dem Abbruch habe sie nicht mehr gewusst, "was richtig oder falsch ist".
Mit ihrer Selbsthilfegruppe will Elvira P. die Möglichkeit bieten, dass Betroffene miteinander reden und sich in schwierigen Lagen gegenseitig unterstützen können. Sie möchte Fachfrauen und Psychologen einladen, die entsprechend geschult sind. Die Gruppe soll auch Männern offen stehen, auch diese trauerten oft nach einer Abtreibung. Mit ihrem Aufruf möchte Elvira P. weitere Betroffene finden, um dann mit Unterstützung eines Pflegestützpunktes in der Region die Gruppe zu starten. Ihres Wissens wäre es die erste derartige Selbsthilfegruppe in Deutschland.
*Name von der Redaktion geändertKontakt
Wer sich für die Selbsthilfegruppenidee für Menschen nach einem Schwangerschaftsabbruch interessiert, kann eine Email an die Adresse DasLebenDanach@yahoo.com schicken. Elvira P. meldet sich. (him)