Donaueschingen – „Es war eine schöne Zeit, die aber schon lange her ist“, blickt Otmar Käfer aus Donaueschingen zurück. Er gehört zu den Danubia-Rentnern und hat damals die Glanzzeiten der Seidenweberei, die nach dem Krieg im Jahre 1946 eine der ersten großen Fabrikbetriebe in Donaueschingens wurde, miterlebt.
Das große Gebäude, das heute ein Hotel beherbergt, zählte in seinen Hochkonjunktur-Phasen Ende der 50er Jahre und in den 60er Jahren mehr als 200 Mitarbeiter und 240 Maschinen. „Und die haben auch ganz schön Lärm gemacht. In der Hermann-Fischer-Allee mussten die Leute ihre Fenster geschlossen halten, weil die Schiffchen der Maschinen so laut gerattert haben“, erinnert sich die Seniorin Helga Milbradt, die in der Danubia ihre Lehre gemacht hat und schließlich sechs Jahre in der Buchhaltung der Firma gearbeitet hat.
Nach dem Krieg als es nichts mehr gegeben hat, entwickelt sich die Danubia zu einem florierenden Donaueschinger Unternehmen. Edle Stoffe, die in der Seidenweberei hergestellt worden, gehen in die ganze Welt. Große, namenhafte Unternehmen wie Triumph zum Beispiel, werden von der Firma beliefert. In den guten Zeiten rüstete Unternehmenschef Ernst Schneckenburger die Produktion stark auf.
Von der einfachen Webmaschine, von der eine gute Weberin drei bedienen konnte, wurde die Anzahl auf über 200 in der gesamten Firma, die im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet hat, aufgestockt. „Das waren unheimlich gute und sehr teure Maschinen“, erinnern sich Ingenieur Käfer und sein Kompagnon Robert Baur. Die Webmaschinen der Firma Picanol oder Rütti produzieren in 24 Stunden bis zu 120 Meter Stoff.
Die Danubia, die bereits 1927 gegründet wurde, zieht Mitarbeiter aus ganz Deutschland an. „Ingenieure aus dem Rheinland und aus dem Wiesental sind nach Donaueschingen gezogen, um hier arbeiten zu können“, weiß Hanni Preis, die acht Jahre im Lohnbüro der Firma gearbeitet hat. In der Weberei war die Frauenquote sehr hoch „und es gab einen ständigen Wechsel, weil die Frauen meist nur bis zur Heirat dort gearbeitet haben und dann zu Hause bei den Kindern geblieben sind“, berichtet Käfer. Manch Liebesgeschichte hat sich in der Seidenweberei in der Hagelrainstraße angebahnt, einige davon haben sich zu langen und glücklichen Ehen entwickelt.
„Woran sich alle sehr gerne erinnern, sind die Betriebsausflüge und vielen Firmenfeiern, die in der Danubia gefeiert wurden“, berichten die Senioren der Danubia, die sich einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Stammtisch im Café Reiter treffen. Jedes Jahr fuhr die Belegschaft zu einem Ausflug, meist in den Schwarzwald. Auch zur Weihnachtsfeier und zur Fasnet kamen die Mitarbeiter zu einem Fest zusammen. „Es war ein sehr gutes Betriebsklima. Dazu haben natürlich auch die Feste und Ausflüge beigetragen“, weiß Hanni Preis. Die Unterhaltung zu diesen Feiern kam meist vom Danubia-Werkschor.
Der reine Männerchor war bei der Danubia Pflichtprogramm. Und wer von den Männern mal eine Probe schwänzte, musste auch damit rechnen, dass er vom damaligen Betriebsleiter eine auf den Deckel bekam. Zu besonderen Anlässen, wie einer Hochzeit oder zur Geburt eines Kindes spendierte der Chef stets ein nettes Geschenk. „Mein Kaffee-Service habe ich heute noch im Schrank stehen“, erklärt Käfer seinen Stammtisch-Kollegen und alle lachen herzhaft.
Auch, wenn es wie in jeder Firma, auch mal streng zur Sache ging, haben die Männer und Frauen gerne in der Danubia gearbeitet. „Es war eine gute, zuverlässige Firma mit einem guten Namen“, erklärt Helga Milbradt, die ein Leben lang von der Ausbildung in dem Donaueschinger Betrieb profitiert hat. Doch Ende der 60er Jahre macht sich auch bei der Danubia die aufkommende Textilkrise bemerkbar. Baur, der vorher schon zwei Betriebsniedergänge mitgemacht hat, erkennt dies und verlässt 1967 in weiser Voraussicht die Firma.
Sein Kollege Käfer bleibt bis zum Schluss und dreht im Juni 1970 den Schlüssel in der Firma mit um. „Die Enttäuschung darüber, dass die Firma ihre Türen schließen muss, war damals natürlich sehr groß“, weiß Käfer, der 1948 eingestiegen ist. Dort, wo sonst die Maschinen ratterten und für jede Menge Lärm sorgten, kehrte über Nacht Ruhe ein. Die meisten Mitarbeiter kamen aber schnell in anderen Betrieben der Stadt unter, viele dann auch in der Kammgarnspinnerei Wirth.
Ein Haus mit vielen Geschichten
Das Gebäude an der Hagelrainstraße hat nach der Firmengeschichte der Danubia ein auf und ab erlebt. Der große Gebäudekomplex war nach der Carlton-Pleite mehr als elf Jahre verwaist. Keiner wollte mehr daran glauben, dass in die Danubia wieder Leben einzieht.
- 70er Jahre: Noch bevor die Firma Danubia Pleite gegangen ist, hatte das Einkaufszentrum schon Räumlichkeiten in der Seidenweberei angemietet. Nach der Stilllegung der Produktion wurde das EKZ zum modernen Supermarkt, das bereits über eine Rolltreppe verfügte und bis dato nicht üblich war.
- 1989: Kauft ein Konstanzer Investor das Donaueschinger Einkaufszentrum und baut es für die stolze Summe von 20 Millionen Mark und mit einer Nutzfläche von 7000 Quadratmetern zu einem Hotel der gehobenen Klasse um. 1991 wird das Carlton eröffnet und gerät schon kurze Zeit später in die erste finanzielle Schieflage. 1995 wird das Haus schließlich zwangsversteigert.
- 2006: Nach einem elfjährigen Dornröschenschlaf gelingt es den leerstehenden Gebäudekomplex der alten Danubia an einen neuen Investor zu bringen. Der Israeli Ron Ben Haim eröffnet das ehemalige Carlton wieder zum Leben. Nach wechselnden Hotelnamen und auch Geschäftsleitern residiert aktuell das Whyndham Garden an der Hagelrainstraße in Donaueschingen. (maf)