Nebenberuflich hat die Familie Sohn aus Zizenhausen etwas geschaffen, was auch Jahrzehnte und Jahrhunderte später für Erstaunen sorgt. Ihre Tonfiguren zeugen ab Ende des 18. Jahrhunderts davon, wie das alltägliche Leben einst aussah und was sich Menschen gerne ansahen. Das Stadtmuseum Stockach zeigt eine Auswahl der rund 600 Zizenhausener Terrakotten, die sie vom letzten Spross der Künstlerfamilie erhalten haben. Unter den Figuren sind französische Soldaten, schweizerische Trachten oder Karikaturen von Alltagsszenen. Werke wie diese finden sich heute in ganz Europa und sind Sammlern mehrere hundert Euro wert.


Das erklärt der Stockacher Museumsleiter Johannes Waldschütz, während er die kleine Ausstellung im zweiten Obergeschoss des Kulturzentrums Altes Forstamt zeigt. Seit Dezember stehen hier wieder gesammelte Werke der Familie, die einst aus der Nähe von Bad Waldsee nach Zizenhausen zog. "Das war eine klassische Winterarbeit für sie", erklärt Waldschütz. Hauptberuflich ging Familie Sohn mehrheitlich anderen Tätigkeiten nach: "Sie waren Maler oder in Zizenhausen in offiziellen Funktionen tätig", sagt Waldschütz und nennt als Beispiel eine Verwaltungsaufgabe für die Adelsfamilie von Krafft. Anton Sohn, Begründer der Zizenhausener Terrakotten, war Kirchenmaler.
Die Produktion erfordert mehrere Schritte: Um aus einer Prägeform beliebig viele Terrakotten zu fertigen, wurde die Form mit Öl ausgekleidet und mit Ton aus Hoppetenzell gefüllt. Dieser wurde anschließend herausgelöst und getrocknet. Anschließend wurden die Figuren gebrannt, nachbearbeitet und bemalt. Dadurch erklärt sich auch der Begriff Terrakotten: Terracotta bezeichnet unglasierte Tonprodukte. Einige der Zizenhausener Exemplare sind aber glasiert, wie Waldschütz erklärt – diese werden mit der Zeit dunkler, während die Farbe anderer noch leuchtet und beim Berühren abfärben würde.

Und wofür all die Arbeit? Im 19. Jahrhundert richteten sich die Menschen erstmals ein Wohnzimmer ein, wie Waldschütz erklärt, und wählten dafür häufig Figuren aus Zizenhausen zur Dekoration. Bezahlbar war das aber nicht für jedermann, schätzt Waldschütz: Viele der Figuren gehörten zu Serien mit dutzenden kleiner Werke. Die Terrakotten orientierten sich dabei meist an Gemälden und setzten sie dreidimensional um, erklärt Waldschütz. "Sie sagen etwas über den Geschmack dieser Zeit" – einschließlich manch judenfeindlicher Aussagen. Die Künstler seien bei der Malerei sehr detailliert vorgegangen: "Verschiedene Schattierungen für Gesichtsfarbe und Grautöne gab es in rauen Mengen", sagt Waldschütz. Im Erbe des letzten Nachkommen Otto Müller-Sohn fanden sich unter anderem einige Farbtöpfe, die nun im Stadtmuseum zu sehen sind.

Angefangen hat die Tonfigurenproduktion in Zizenhausen mit Krippenfiguren. Über den Kontakt zu einem Basler Kunsthändler entwickelten sich ab etwa 1820 diverse andere Motive mit Titeln wie "Tiroler Jäger auf'm Anstand" oder "Der Friedensrichter". Die Bezeichnung vergaben die Künstler selbst, wie ein Preiskatalog zeigt, und lieferten häufig einen Interpretationsanstoß mit – auch auf Englisch oder Französisch, wenn es für den internationalen Markt gedacht war. Eine Auswahl der Zizenhausener Terrakotten soll bis Frühjahr nächsten Jahres im Stadtmuseum zu sehen sein. Hintergründe der Figuren will Johannes Waldschütz mit Führungen vermitteln.
Die nächste Führung ist am Dienstag, 14. August, ab 18 Uhr im Stadtmuseum Stockach. Die Teilnahme kostet für Erwachsene sechs und für Schüler sowie Jugendliche drei Euro, mit Gästekarte gibt es einen Euro Rabatt. Anmeldung online unter www.tickets.stockach.de oder direkt im Alten Forstamt.


