Thomas Warndorf hat beinahe alle gehabt – Günther Oettinger, Frank-Walter Steinmeier, Renate Künast und Peter Altmaier zum Beispiel. Das sind nur vier der 13 Beklagten, die Warndorf als Kläger des Narrengerichts bislang untergekommen sind. Thomas Strobl in diesem Jahr wird Nummer 14 sein – und gleichzeitig der letzte Politiker, der es vor den Schranken des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken mit Warndorf zu tun bekommt. Denn der Kläger hört auf. Zu Dreikönig 2019 wird er aus dem Kollegium des Narrengerichts ausscheiden und damit auch das öffentlichkeitswirksame Amt abgeben. Mit Narrenrichter Jürgen Koterzyna und Fürsprech Michael Nadig hat der Kläger des Narrengerichts einen großen Anteil an den Verhandlungen.

2007: Der Beklagte hieß Günther Oettinger und Warndorf hatte ihm offenbar eine Menge zu sagen.
2007: Der Beklagte hieß Günther Oettinger und Warndorf hatte ihm offenbar eine Menge zu sagen. | Bild: Archiv Narrengericht

Auf seine letzte Verhandlung freue er sich schon sehr, erzählt der 72-Jährige. Dennoch stellt er sich wieder auf das übliche Lampenfieber ein, das auch in 13 Jahren auf der Bühne des Narrengerichts bislang nicht aufgehört habe: "Zehn Minuten vor der Verhandlung denke ich regelmäßig: Du musst bescheuert sein. Danach steht man auf der Bühne und das interessiert einen nicht mehr." Die Anspannung vor der Verhandlung kommt nicht von ungefähr. Die etwa 1000 Zuschauer, die Jahr für Jahr zur Verhandlung des Narrengerichts in die Stockacher Jahnhalle kommen, haben, so Warndorf, eine riesige Erwartungshaltung. Das spüren auch die Beklagten, die sich, so die Erfahrung des Klägers, hinter der Bühne vor der Verhandlung allesamt nicht wohl fühlten. Denn auch sie spüren, dass die meisten Zuschauer wegen des prominenten Gastes aus der Bundes- oder Landespolitik kommen. Da ist der Druck hoch, eine gute Vorstellung abzugeben – für alle Beteiligten.

Dafür genießt es Warndorf, Politiker von ihrer normalen, menschlichen Seite kennenzulernen. Er nennt sie beinahe liebevoll "meine Beklagten". Keiner von ihnen sei so aufgetreten, wie es ihre Aussagen in den Medien hätten vermuten lassen. Peter Altmaier zum Beispiel. Der, 2015 als Beklagter in Stockach, habe als Kanzleramtsminister immer sehr geschraubte Sätze von sich gegeben. Zur Übergabe des Strafweins hatte er die Gerichtsnarren in seine Privatwohnung in Berlin eingeladen, wo er plötzlich dasselbe Idea-Regal gesehen habe, das er selbst auch im Haus stehen habe, erzählt Warndorf. Da hätten sie sich dann wie unter gewöhnlichen Bekannten über die Schrauberei unterhalten. Auch mit Alexander Dobrindt, Beklagter 2016, habe er sich sehr gut verstanden. Was dieser bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin "abgesondert" habe, so Warndorf, gehöre eben zum Rollenspiel der Politik. Und den Reiz des Narrengerichts erklärt er sich auch damit, dass man an der Fasnacht in Stockach jemanden präsentiere, der sonst nicht so auftrete: "Deswegen gab es auch so viel Beifall für Renate Künast." Für den Schmotzigen Dunschtig kommt er zum Schluss: "Die Beklagten geben bei uns viel von sich preis. Und das macht sie auch nervös."

2017: Kläger Thomas Warndorf, Beklagte Malu Dreyer und Fürsprech Michael Nadig bei der Narrengerichtsverhandlung.
2017: Kläger Thomas Warndorf, Beklagte Malu Dreyer und Fürsprech Michael Nadig bei der Narrengerichtsverhandlung. | Bild: Stephan Freißmann

Wie kommen Koterzyna, Nadig und Warndorf auf den Beklagten, der jeweils eingeladen wird? Viele Überlegungen spielen eine Rolle, sagt der Kläger, ohne sich zu tief in die Karten schauen zu lassen. Die Parteien sollten halbwegs ausgeglichen vertreten sein. Politiker sollten auch nicht zu kurz hintereinander als Zeuge und Beklagter auftreten. Und es müsse jemand sein, von dem im Sommer, wenn das Narrengericht den Termin festmachen muss, schon klar sei, dass er im Februar noch ein Amt haben werde. Deswegen seien Bundespolitiker in diesem Jahr sehr zurückhaltend gewesen. Wäre die Jamaika-Regierung zustande gekommen, so Warndorf, "dann hätten wir mit Thomas Strobl jetzt einen Bundespolitiker." Doch nicht jeder nimmt die Einladung an. Gregor Gysi zum Beispiel. Den habe man zweimal angefragt, zweimal habe er abgesagt. Und deswegen sei er nicht noch einmal gefragt worden. Auch Edmund Stoiber hätte Warndorf gerne beim Narrengericht gehabt. Doch der gehe immer mit seiner Ehefrau zum Opernball nach Wien, der am selben Tag stattfindet. Thomas Warndorf hat eben doch nur beinahe alle gehabt.

2015: Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit einem Beweisstück, das ihn mit Kanzlerin Angela Merkel zeigt.
2015: Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit einem Beweisstück, das ihn mit Kanzlerin Angela Merkel zeigt. | Bild: Anna Stommel

Zur Person

Thomas Warndorf, 72, wurde bei Eckernförde geboren. Seine Eltern waren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, 1949 zogen sie mit dem Dreijährigen nach Stockach. Nach einem Studium in Freiburg arbeitete Warndorf als Lehrer in Ludwigshafen. Später lebte er in Konstanz und studierte dort Geschichte und Soziologie. Berufliche Stationen waren die Leitung eines Radiostudios in Tuttlingen und die Leitung des Stockacher Kulturamts. Zu Dreikönig 2000 kam er ins Narrengericht, sein erster Einsatz als Kläger war 2004 mit dem Beklagten Friedrich Merz. Seit 2011 ist Michael Nadig als Fürsprech sein Gegenspieler. (eph)