Sandra Bossenmaier

Heute hier, morgen dort – ein Motto für das Leben eines Wandergesellen auf der Walz. Unverkennbar an der Kluft, die in der Öffentlichkeit getragen werden muss, hatten sich in den vergangenen Tagen rund 40 Wandergesellen in der Bildungsakademie Singen eingefunden. Grund war ein Treffen der Metallbau-Gesellen, um sich weiter zu bilden und auszutauschen.

Gegenseitig wiesen sie sich in die verschiedensten Handwerkskünste ein. Spontan wurde sogar eine Goldschmiede eingerichtet. Die Räumlichkeiten dazu stellte die Bildungsakademie – inklusive Schlafplatz in Form von großen Zelten im Hof der Akademie. "Die Wanderschaft ist eine der besten und schnellsten Form, um die Welt zu erkunden und sich dabei im Handwerk weiter zu bilden", erzählt Benedikt, ein reisender Schlosser aus Gelnhausen. Dabei würde man auf alte Handwerksmeister treffen und deren Tricks kennen lernen. Mindestens drei Jahre und einen Tag müssen die Gesellen auf Wanderschaft sein. Eine Heimat haben sie in dieser Zeit nicht. Die fremde freireisende Goldschmiedin Sarah aus Wolfsburg ist bereits seit zwei Jahren unterwegs. Besonders bei Erkrankungen würde sie einen eigenen Rückzugsort vermissen. Doch schmunzelnd fügt sie hinzu: "Wir sind wie Unkraut, wir überleben das."

Die eigenen Nachnamen legen die Wandergesellen in der Zeit der Wanderung ab und eine weitere, traditionelle Regel muss eingehalten werden: die Gesellen dürfen sich ihrem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer nähern. Im Winter kann diese eine Herausforderung sein. So schmiedet Marco, ein Schmied aus Wiesbaden, bereits Reisepläne für den kommenden Winter. Zuerst wird es für ihn auf ein Segelschiff und anschließend nach Indonesien gehen.

Alte Traditionen werden von den höchstens 30-jährigen Gesellen gelebt. Etliche Regeln müssen befolgt werden: Man muss ledig, schulden- und vorstrafenfrei sein, Handys sind verboten. "Wird jemand mit einem Handy erwischt, wird durch das Handy ein Nagel geschlagen", berichtet Helena aus Holzminden. Die Kommunikation zwischen den Wanderern funktioniert dennoch gut. Man trifft sich unterwegs und informiert sich dabei gegenseitig. "Als Handwerkskammer finden wir es großartig, dass diese Tradition aufrechterhalten wird", freut sich Karin Marxer, Leiterin der Bildungsakademie über die Fremden. Der Ehrenkodex und der Stolz der Wandergesellen seien in Singen spürbar.

Immer im spärlichen Gepäck dabei ist das Wanderbuch. Die eigene Wanderschaft, sowie Arbeitszeugnisse werden hierin vermerkt. Ebenfalls Städtesiegel der besuchten Ortschaften. Natürlich erhielten alle Wanderbücher aktuell auch das Siegel der Stadt Singen.

Als Dankeschön für die Aufnahme und Betreuung durch die Bildungsakadmie Singen bauten die Wandergesellen gemeinsam ein Kunstobjekt in Form eines dreiteiligen Grills. Dieser besteht aus einem Spanferkelgrill, einem Mongolengrill und eines herkömmlichen Grillrostes.

Die Tradition

  • Auf der Walz: Wandergesellen sollen für Kost und Logis nach Möglichkeit kein Geld ausgeben. Doch nur für Kost und Logis arbeiten sie auch auf der Walz nicht.
  • Der Tarif: Billige Kräfte, die anderen Gesellen die Arbeit wegnehmen, sind sie nicht. Wie jeder andere Geselle sollen auch Wandergesellen mindestens nach Tariflohn bezahlt werden.
  • Die Gesellen: Schätzungen zufolge sind im deutschsprachigen Raum derzeit zwischen 400 und 600 Wandergesellen unterwegs. Genaue Erhebungen darüber gibt es nicht. (bos)