Historisch betrachtet war es ein abenteuerlicher Beschluss, eine Schienenstrecke von Winterthur nach Singen über Etzwilen zu planen, wirtschaftlich betrachtet eine Fehlinvestition. Im Rückblick entpuppt sich das Experiment aber als gewinnbringend und heute wird die abenteuerliche Dampfzugfahrt zur Reise in die Vergangenheit, bei der selbst ein längerer Aufenthalt in Etzwilen wegen einer technischen Störung der Lok die Freude am Ausflug nicht trübt.

Dieser Sonderzug ist ein ganz besonderer, er fährt zum ersten Mal seit 54 Jahren durchgehend von Winterthur über Etzwilen nach Singen und am Abend wieder zurück. „Das ist wie früher“, erinnert sich Werner Wocher, Co-Präsident des Vereins zum Erhalt der Schienenstrecke Singen-Etzwilen (VES).

Jungfernfahrt nach 54-jähriger Unterbrechung

Und ja, es ist eine nostalgische Fahrt, die erst einmal in Richtung Singen führt. Autofahrer müssen wegen der Museumsbahn einen Stopp einlegen und anhalten, andere stehen an diesem Tag am Straßenrand oder schauen aus den Fenstern ihrer Wohnungen. Sie alle winken und scheinen Freude an dem vorbeifahrenden Zug zu haben. Der Mann auf dem Balkon im orangefarbenen Hemd bringt dies mit einem Daumen nach oben deutlich zum Ausdruck, bevor am Gleis 5 des Singener Hauptbahnhofes die Museumsbahn von Interessierten und begeisterten Mitfahrern empfangen wird.

Familie Bossenmaier (von links: Falko, Markus, Benedikt, Hansi und Sandra) machen mit Werner Wocher (Mitte) einen Ausflug mit der ...
Familie Bossenmaier (von links: Falko, Markus, Benedikt, Hansi und Sandra) machen mit Werner Wocher (Mitte) einen Ausflug mit der Museumsbahn. | Bild: Florian Ziese

Als Familie planen wir die Fahrt mit der Museumsbahn von Rielasingen nach Singen, von dort nach Stein am Rhein und zurück nach Rielasingen. Laut Fahrplan sind dafür drei Stunden vorgesehen, am Ende kommt dies ungefähr hin. Anders als vorgesehen wird aber wegen einer Panne der Lok von Etzwilen ab das Städtchen Stein am Rhein mit dem Regionalzug anstatt mit der Museumsbahn angefahren.

Vom Parfum der alten Eisenbahn

Der Regen am Morgen trübt die beeindruckende Einfahrt der Dampflok Eb 3/5 in Rielasingen nicht. Ganz im Gegenteil. Gerade an kühleren Tagen ist die Dampfentwicklung noch schöner zu betrachten als an warmen.

Ein paar begeisterte Eisenbahner sitzen bereits im Zug und winken freudig aus dem Fenster. Einer davon ist Werner Wocher. Er begleitet uns ein Stück auf der Fahrt mit der Museumsbahn. Der gebürtige Singener wuchs in der Nähe der Eisenbahnlinie auf und trägt die Liebe zur Eisenbahn schon immer in sich. Mit seinem reizenden Charme erzählt der heute knapp über 80-Jährige auf der hölzernen Bank sitzend von seiner Liebe zur Eisenbahn.

Werner Wocher, Co-Präsident des VES und echter Eisenbahnliebhaber, fährt mit der Museumsbahn nach Singen.
Werner Wocher, Co-Präsident des VES und echter Eisenbahnliebhaber, fährt mit der Museumsbahn nach Singen. | Bild: Sandra Bossenmaier

„Die Faszination der Museumsbahn liegt in der Nostalgie“, so Wocher. Er spricht sogar von einem Eisenbahnparfum, wenn es raucht und zischt und es nach Kohle riecht. Diese Faszination begleite ihn bereits sein ganzes Leben. Er möchte auch jüngeren Menschen dieses Erlebnis ermöglich, zeigen wie es früher einmal war.

Zeitreise auf Schienen statt Zeitdruck auf der Straße

„Bitte einsteigen“ heißt es nach ein paar Minuten Aufenthalt in der Stadt, bevor es wieder zurück in Richtung Stein am Rhein geht. Etwas Verspätung hat der Zug bereits, doch das macht gar nichts. Es geht bei einer solchen Dampfzugfahrt nicht um ein schnelles Vorankommen. Vielmehr um ein gemütliches Fahren und um die Aussicht aus den großen Fenstern, die sich hier noch weit öffnen lassen.

Auch Patrick Jäger und Sohn Timo freuen sich über die Fahrt mit der Museumsbahn.
Auch Patrick Jäger und Sohn Timo freuen sich über die Fahrt mit der Museumsbahn. | Bild: Sandra Bossenmaier

Der dreijährige Timo Jäger und sein Vater Patrick hatten sich am Morgen kurzfristig für eine Fahrt mit der Museumsbahn entschlossen. Mit Stolz zeigt Timo seine grüne Spielzeuglok. Er scheint bereits ein richtiger Eisenbahnfreund zu sein und genießt den Ausflug mit seinem Vater. Es ist immerhin Timos erste Fahrt mit der Museumsbahn, wie Patrick Jäger berichtet.

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In Etzwilen kommt es dann beim Rangieren der Lok zu einer technischen Störung. Eine Weiterfahrt nach Stein am Rhein ist nur mit dem nächsten Regionalzug möglich. Manche Fahrgäste verlassen den Zug und lassen sich abholen. Die meisten aber verbringen die Zeit am Bahnsteig, bevor es nach einer zügigen Reparatur der Dampflok mit Volldampf wieder zurück nach Singen geht.