Im November waren Sie mit drei Kinderchirurgen in Äthiopien, um dort kranke Kinder zu operieren. Was erreichten Sie vor Ort?

Wir konnten zwölf Kinder erfolgreich operieren. Die Eingriffe waren komplex und ohne diese wären die Kinder an ihren Grunderkrankungen gestorben. Diese Operationen waren die einzige Chance der Kinder um zu überleben.

Wie kam es zu dem Einsatz in Äthiopien?

Ich war in den letzten vier Jahren immer mal wieder als Kinderanästhesist in Afrika. Bei einem dieser Einsätze lernte ich den Kinderchirurgen Martin Lacher, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Leipzig kennen. Er hatte die „Stiftung Kinderchirurgie“ ins Leben gerufen. Als im September sein Anruf kam und er mich fragte, ob ich ihn nach Äthiopien begleiten wolle, überlegte ich nicht lange und sagte zu. Eigentlich sollte unser Team aus acht Köpfen bestehen. Doch die politische Situation in Äthiopien ist schwierig. Es gibt im Norden des Landes große Konflikte zwischen Rebellen und dem Militär. Deshalb wurde eine Reisewarnung ausgesprochen und wir flogen daraufhin nur zu viert in das ostafrikanische Land.

Wie können wir uns Ihr Arbeitsumfeld vor Ort vorstellen?

Wir operierten in einem Krankenhaus in Awassa. Es gibt dort fünf Operationssäle, jedoch nur zwei junge Anästhesisten mit wenig Facharzterfahrungen. Viele Narkosen werden deshalb von Pflegekräften gemacht. Wir waren kaum gelandet, erhielten wir bereits an der Hotelrezeption einen Anruf aus dem Krankenhaus. Es hatte einen Notfall bei einer Operation gegeben und wir sollten sofort helfen. Wir stellten also unsere Koffer ab, nahmen unsere medizinische Ausrüstung und fuhren ins Hospital, um dort bis spät in den Abend zu operieren. Und genau dies taten wir auch in den nächsten Tagen von früh bis spät.

Was ist Ihre Motivation für solch anstrengende Hilfseinsätze?

Ich hatte das Glück, sehr gute Lehrmeister während meiner Ausbildung zu haben. Diese brachten mir sehr viel medizinisches Wissen bei. Ich empfinde es als Verpflichtung, mein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Arbeit in Afrika ist mir sehr wichtig, aber mein Wirken dort soll nachhaltig sein. Meinen einwöchigen Aufenthalt im Hospital in Äthiopien nutzte ich intensiv, um die beiden jungen Ärzte und die Pflegekräfte dort anzuleiten. Nur so kann unsere Arbeit dort langfristig funktionieren. Ein anderer Aspekt ist die Dankbarkeit der Familien. Wenn man nach einer geglückten Operation in die Augen der Eltern sieht, ist das der Lohn für all die Strapazen, die man auf sich nimmt.

Ein Dutzend Kinder konnten in Awassa operiert werden. Hätten nicht noch mehr Kinder die Hilfe der deutschen Ärzte benötigt?

Ja, aber um allen zu helfen, fehlte uns die Zeit. Doch die Stiftung Kinderchirurgie wird Anfang kommenden Jahres wieder einen Kinderchirurgen nach Äthiopien schicken. Und die Menschen dort haben Geduld, sie haben ein anderes Gefühl von Zeit als wir. Aber manchen Kindern können wir aufgrund deren unheilbaren Erkrankung nicht helfen. Das belastet mich natürlich auch, aber ich darf es nicht mit mir tragen. Die Erwartungen der Einheimischen in Afrika an deutsche und gut ausgebildete Mediziner sind sehr hoch. Ihnen dann erklären zu müssen, dass wir nicht alles heilen können, fällt schwer.

Und mit welchen Schwierigkeiten bei den Operationen mussten Sie vor Ort umgehen?

In Äthiopien gibt es andere Vorstellungen von Hygiene als wir das kennen. Ich möchte Beispiele nennen: In jedem OP steht eine mit Alkohol gefüllte Plastikflasche. Der Inhalt dieser Flasche dient zur Desinfektion im OP, der Instrumente und der Hände. Mehr gibt es nicht. Oder es gibt ein einfaches Waschbecken mit drei Wasserhähnen. Nur mit Glück kommt aus einem der Hähne Wasser, mit dem sich der Chirurg die Hände waschen kann. Seife gibt es keine. Und auch mit einem Stromausfall muss man jederzeit rechnen. Eine Stirnlampe gehört zu unserer Ausrüstung also immer dazu. Wir mussten mit vielen großen Herausforderungen vor Ort umgehen. Denn oft fehlt es an den einfachsten Dingen. Alle Eingriffe an den Kindern waren sehr komplexe Operationen. In Deutschland werden solche Kinder meist nach der Operation nachbeatmet. Eine solche Möglichkeit gibt es in Äthiopien nicht, dazu fehlen schlichtweg die Geräte. Für mich konkret bedeutete dies, die Narkose so zu führen, dass die Kinder auch nach langen und großen operativen Eingriffen selbstständig atmen konnten. Und für die Narkosen standen mir in Awassa Narkosegase zur Verfügung, welche wir in Deutschland seit über 20 Jahren nicht mehr verwenden.

Bemerkten Sie vor Ort etwas von den politischen Unruhen im Norden des Landes?

Wir befanden uns im Süden des Landes. Doch die Unruhe der Rebellen im Norden lag immer wie ein Damoklesschwert über uns. Wir hatten Sorge, dass die Rebellen bis in die Hauptstadt Addis Abeba vordringen würden und wir dann nicht mehr von dort aus unseren Heimflug hätten antreten können. Von in der Hauptstadt lebenden Verwandten einheimischer Ärzte wurden wir immer verlässlich informiert, wie die Lage sich dort entwickelte. Und dann nahm uns die Arbeit im Krankenhaus komplett in Anspruch, Zeit für Sorge wegen des Konflikts blieb keine. Bereits nach drei Tagen fühlte ich mich, als sei ich schon ewig in Awassa, weil es so viel zu tun gab. Als wir dann aber nach der Woche im Flugzeug nach Frankfurt saßen und dieses abhob spürte ich eine große Erleichterung, dass alles gut gegangen war. Trotz aller Unruhen im Land fühlte ich mich immer sicher. Im Hotel und im Krankenhaus tat man alles, um uns zu beschützen.

Wie wurde diese Hilfsaktion finanziert?

Wir Ärzte brachten uns mit Zeit und unserem Wissen ein. Und ich nahm Verbrauchsmaterial und Medikamente aus meinem eigenen Bestand mit. Was wir nicht aufgebraucht haben, wurde vor Ort den Ärzten überlassen. Auch spezielle Geräte aus meiner eigenen Praxis, welche ich für meine Arbeit dringend benötigte, nahm ich mit. Unser Flug und unsere Unterkunft wurde von der „Stiftung Kinderchirurgie“ bezahlt.

Wie fühlen Sie sich nach Ihrer Rückkehr aus Afrika?

Ich fühle mich demütig und zufrieden. Und ich bin dankbar, in Mitteleuropa geboren zu sein und hier eine tolle Ausbildung erhalten zu haben. Ich denke man macht einen solchen Einsatz nie nur für andere, sondern auch ein Stück weit für sich selbst. Es erdet total. Und nach meiner Rückkehr wundere ich mich mal wieder, worüber man diskutieren und streiten kann.

Wo wünschen Sie sich Unterstützung für Hilfsprojekte in Afrika?

Die Stiftung Kinderchirurgie braucht natürlich auch in finanzieller Hinsicht Unterstützung. Mit Spenden (Spendenkonto: Stiftung Kinderchirurgie, IBAN DE20 8605 5592 1090 1518 09) könnten beispielsweise dringend benötigte Überwachungsgeräte angeschafft werden. Immer wieder sterben in Afrika Kinder nach gut verlaufenen Operationen, weil solche einfachen Geräte fehlen.

Gibt es bereits Pläne für eine neue Reise nach Afrika?

Ja. Ich möchte nächstes Jahr im Herbst wieder nach Afrika reisen und dort arbeiten.