Leider gehört auch das zum Zusammenleben in einem sieben Meter langen, 2,55 Meter breiten und vier Meter hohen Haus: Wenn ein Bewohner sich einen Infekt einfängt, stehen die Chancen hoch, dass es auch die anderen erwischt. So kommt es, dass wir uns nicht im Inneren von Katharinas und Koljas Zuhause treffen können. Stattdessen winkt uns die Familie zunächst nur durchs Fenster zu. Immerhin: Der elf Monate alte Adam strahlt schon wieder. "Erst hatte er Fieber und dann auch noch eine Bindehautenzündung", berichtet Katharina einige Stunden später am Telefon. Inzwischen habe der Arzt aber Entwarnung gegeben: Adam, seine vier Jahre alte Schwester Clara und die Eltern sind auf dem Weg der Besserung.
Im August ist die junge Familie in den kleinen Ort in der Nähe des Bodensees gezogen. Und in ihrem Fall ist das ganz wörtlich zu verstehen: "Unser Haus ist auf einen Bootsanhänger aufgebaut", erklärt Katharina. Dreieinhalb Tonnen würde das hauptsächlich aus Fichtenholz bestehende mobile Heim, das ihr Mann Kolja in etwas mehr als einem halben Jahr zusammengezimmert hat, in leerem Zustand wiegen. Aber: Seit ihrer Ankunft im Sommer hat sich die Familie wohnlich eingerichtet: "Wir haben nicht an der Ausstattung gespart", sagt Katharina. Schweres Parkett, Fußbodenheizung, Badewanne, sogar eine Schaukel: Auf den ersten Blick fehlt es im Tiny House an nichts.

Der eigentümliche englische Begriff lässt sich mit "winziges Haus" übersetzen. Im Herbst 2015 sei sie auf diesen Trend aus den USA aufmerksam geworden, erinnert sich Katharina Legde. "Damals war das in Deutschland noch nicht so weit verbreitet." Die 29 Jahre alte Frau hat Sport und Musik auf Lehramt studiert und arbeitet als Entspannungstherapeutin. Ihr Mann Kolja ist studierter Jazz-Kontrabassist. Die Vorstellung, naturnah zu leben, hat das Paar immer schon begeistert. "Als Kolja und ich nach unserem Studium in Berlin an den Bodensee gezogen sind, haben wir uns nach einem Bauernhof umgesehen, den man mit anderen Familien gemeinschaftlich bewohnen könnte." Vergeblich. "Wir haben alles abgegrast, aber in der ganzen Region nichts gefunden", berichtet sie.
In ein platz- und ressourcensparendes Tiny House zu ziehen, erschien den jungen Eltern als attraktive Alternative. Und: Mit Katze Rosalie und den drei Hühnern im Garten ist es ihnen mittlerweile gelungen, so etwas ähnliches wie einen eigenen kleinen Bauernhof zu gründen.
Näher dran am Vollmond
Wie naturnah das Leben im Tiny House tatsächlich ist, bemerkt Katharina spätestens zum Vollmond jeden Monats. "Die ersten Male konnte ich gar nicht einschlafen, so ungewohnt war die Helligkeit", erinnert sie sich. Trotzdem findet die junge Mutter es schön, wie viel die Familie von der Natur mitbekommt. "Unsere Tochter kann selbstständig raus und im Garten spielen – ein echtes Geschenk."

Ein weiterer Vorteil des Wohnens auf knapp 18 Quadratmetern Grundfläche: die Chance, Überflüssiges loszuwerden. "Wenn man viel anhortet, kann man sich gar nicht mehr wirklich um die Dinge kümmern, die einen umgeben", findet die 29-Jährige. Mittlerweile sei das Ausmisten zur Routine geworden. "Wir haben das Ziel, nur noch Dinge zu besitzen, die wir brauchen – am besten täglich", erklärt sie. "Um diese Dinge wollen wir uns dann auch wertschätzend kümmern."
Nicht immer einfach, wenn man Kinder hat, die leidenschaftlich gerne sammeln und Geschenke bekommen. Und natürlich bringt das Zusammenwohnen auf engem Raum noch weitere Herausforderungen mit sich. Was macht Katharina zum Beispiel, wenn sie das Gefühl hat, dass ihr die Decke auf den Kopf fällt? Ganz einfach: Ins Freie gehen. Tatsächlich kämen solche Situationen aber weitaus seltener vor, als viele sich das vorstellen würden, sagt die 29-Jährige und schmunzelt.
Herzliche Nachbarn
Nicht nur die Bewohner empfinden das Zusammenleben im Tiny House als eine spannende Sache. "Wir wurden in der Nachbarschaft total nett empfangen." Alle Gäste, die zur Einweihungsparty eingeladen waren, seien auch gekommen. "Am Ende waren wir 60 Leute", erzählt sie und lacht.

Mittlerweile wisse sie von mehreren Bekannten, die dem Beispiel gerne folgen würden. "Und von der Stadt haben wir erfahren, dass schon einige Grundstücksanfragen für Tiny Houses eingegangen sind." Tatsächlich muss auch ein Mini-Zuhause baurechtlich bewilligt werden. Das Grundstück muss erschlossen, das Haus an die Kanalisation angeschlossen sein.
Ihr eigenes Grundstück hat die Familie für sieben Jahre gepachtet. Und dann? "Es kommt, wie es kommt", sagt Katharina. "Im Moment fühlen wir uns wohl." Und für die nahe Zukunft hat sich die Familie einiges vorgenommen: eine Terrasse, Wege und einen Gemüsegarten gelte es anzulegen. Aus dieser Antwort ist Vorfreude herauszuhören. Die Familie ist bereit für den Frühling.