Der "Menschenhasser" kommt. Aber wer kommt noch? Björn E. ruft im sozialen Netzwerk im Namen der Familie von Ramazan Ö. zum Besuch der Beerdigung des Türstehers der Diskothek Grey in Konstanz auf. Der 50-jährige Türsteher wurde am frühen Sonntagmorgen durch den 34-jährigen kurdischen Iraker Rozaba S. mit einer vollautomatischen Waffe im Eingangsbereich der Disko erschossen. Die Beerdigung des türkischstämmigen zweifachen Familienvaters findet ab 13.45 Uhr auf dem Hauptfriedhof statt.

Barbara Behrensmeier, Abteilungsleiterin des Friedhofs, bestätigt den Termin der Beisetzung – allerdings mit einer Einschränkung: "Das Datum ist anvisiert, allerdings müssen wir auf das endgültige Okay durch den Bestatter warten." Das kann erst geschehen, wenn die Staatsanwaltschaft den Leichnam von Ramazan Ö. nach der Obduktion freigegeben hat. Diese Entscheidung stand bis Dienstagabend aus.

Björn E. ist ein führendes Schweizer Mitglied der Rockergruppierung Hells Angels. Auf seiner Kutte prangt das Wort Misanthrop, also Menschenhasser. Ramazan Ö. hat der Züricher nicht gehasst. Im Gegenteil. Schon am Montag trauerte er in einem Beitrag im sozialen Netzwerk Facebook für seinen verstorbenen Freund. Im Internet nennt sich der Rocker Affa. Das steht für die englische Parole der Hells Angels, "Angels Forever, Forever Angels". Björn E. und Ramazan Ö. kannten sich aus gemeinsamen Türsteher-Zeiten. Jetzt kündigt der Rocker auf Facebook an: "Die Familie beziehungsweise Kinder meines kaltblütig erschossenen Türsteherfreundes Ramazan aus Konstanz haben mich gebeten die Daten zur Beerdigung zu veröffentlichen." 

Bis zum Dienstagabend wurde sein Beitrag über 3000 Mal geteilt und erhielt etwa 2500 positive Reaktionen, auch von vielen Konstanzern.

Björn E. fordert dazu auf, seinem Freund die letzte Ehre zu erweisen. "Kommt zur Beerdigung oder teilt den Beitrag", schreibt er auf Facebook. "Jeder von uns hätte an dem Abend in der Disko stehen können und nicht auszumalen was passiert wäre, wenn der Täter nicht von Ramazan aufgehalten worden wäre." Der 50-jährige Türsteher habe sein Leben für andere Menschen gegeben, "und so liegt es nun an uns, ihm unseren tiefen Respekt zu zollen".

 
 

Führt der öffentlichkeitswirksame Aufruf zu einem Massenaufzug von Rockern in Konstanz? Auf Nachfrage des SÜDKURIER sagt E., dass seine Ankündigung in keinem Zusammenhang mit einer geplanten Aktion eines oder mehrerer Hells Angels während der Beerdigung stehe: "Es war ein Freund von mir und steht in keinem Bezug zum Hells Angels Motorradclub." Die Polizei bereitet sich laut Sprecher Bernd Schmidt dennoch auf alle Möglichkeiten vor: "Wir haben die Beerdigung im Blick und wissen von der Freundschaft zwischen Ramazan Ö. und Björn E.

Freunde und Angehörige des Opfers Ramazan Ö. haben vor der Diskothek Grey Kerzen sowie ein Bild aufgestellt. Bild: Oliver Hanser
Freunde und Angehörige des Opfers Ramazan Ö. haben vor der Diskothek Grey Kerzen sowie ein Bild aufgestellt. Bild: Oliver Hanser

Schließlich bittet ein ranghohes Schweizer Hells-Angels-Mitglied um "ein letztes Geleit". Ein Mitglied, dem allein bei Facebook über 33 000 Menschen folgen. Ramazan Ö. sei laut Polizeisprecher Schmidt "laut derzeitigem Wissensstand" selbst kein Mitglied der Hells Angels gewesen. Details eines möglichen Einsatzes nennt er aus polizeitaktischen Gründen nicht. Eine Auseinandersetzung mit verfeindeten Rockerclubs ist dagegen nicht zu erwarten, wie aus Ermittlerkreisen verlautet. Öffentliche Auftritte bei Trauerfeiern verliefen demnach in der Regel ohne Zwischenfälle oder gar Gewaltakte.

Björn E. selbst ist kein unbeschriebenes Blatt. In den vergangenen Jahren geriet er in der Schweiz mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt. Im August 2013 wurde er zu einer Geldstrafe von 27 000 Schweizer Franken, rund 23 600 Euro, wegen eines körperlichen Angriffs verurteilt. Hinzu kommt ein Verkehrsdelikt. Ein Verfahren wegen Gewalt und Bedrohung von Polizeibeamten wurde laut der Schweizer Zeitung "Blick" im November 2013 eingestellt.

Der Konstanzer Hauptfriedhof bereitet sich für Donnerstag auf viele Besucher vor. Für Ramazan Ö.s Arbeitskollegen und viele Besucher des Grey gilt er als Held. Laut Abteilungsleiterin Barbara Behrensmeier ist das "logistisch kein Problem". Die Aussegnungshalle sei für bis zu 150 Gäste ausgerichtet. "Außerdem könnten wir die Trauerfeier mit Lautsprechern in den Außenbereich übertragen."

Das sind die Hells Angels

Mit vollständigem Namen heißt der Rockerclub Hells Angels Motorcycle Club (HAMC). Gegründet wurde er 1948 in den USA. Seit Jahrzehnten stehen Mitglieder der Hells Angels im Zusammenhang mit unterschiedlichen Straftaten. Der HAMC ist weltweit in mehreren Regionalclubs, sogenannten Chaptern, organisiert. Rund ein Dutzend der deutschen Chapter wurde bisher verboten. Der Züricher Club, in dem Björn E. Mitglied ist, besteht seit 1970. (bbr)