Je näher die Familie Romer an die Weide kommt, umso kräftiger und anhaltender tönt der tiefe, markantige Begrüßungsruf. Uranus vom Knauserwald, ein gebürtiger Österreicher mit ansehnlichem Stammbaum, und seine propperen Mädels stehen bereits Spalier. Uranus ist wahrlich ein Landedelmann, allerdings auf vier Beinen und der Gattung schottisches Hochlandrind angehörig. Er ist ein stattlicher, imposanter Stier mit mächtigen Hörnern, der gut und gerne eine Tonne Lebendgewicht auf die Waage bringt. Kaum sind Katja, Roland und Patrick Romer auf die Weide getreten, werden sie schon freudig von den urig aussehenden Rindern umlagert, schließlich könnte es Leckereien geben. Vor dem Stier haben die Romers keine Angst. Im Gegenteil: Katja Romer nimmt zärtlich den riesigen Stierkopf in die Hände und legt ihre Stirn an die seinige. Dann krault sie seinen Hals und das Tier legt sich in die Hand hinein. „Mehr! Nicht aufhören“, sagt seine Geste deutlich. „Uranus ist einfach toll!“, schwärmt Katja Romer und fügt schmunzelnd an: „Er ist lieb, verschmust und penetrant anhänglich.“
Früher betrieb beinahe jede Familie in Dingelsdorf und Oberdorf Landwirtschaft und Viehzucht. „Die anderen haben aufgehört und wir haben angefangen“, sagt Roland Romer, dessen Eltern einst Hühner, Schweine und Rinder gehabt haben. 1999 ist das magische Datum. In jenem Jahr startete das Projekt im Wollmatinger Ried. Die ersten schottischen Hochlandrinder wurden zur Kulturlandschaftspflege eingesetzt. Die gesamte Romer-Familie machte sich auf ins Ried. „Es war der Wunderfitz, denn das war ja neu in Konstanz“, erzählt Roland Romer. Kaum hatten sie die Tiere gesehen, war sich die Familie einig: „Das wäre was für uns, denn wir hatten ja noch landwirtschaftliche Flächen, die jedoch nicht mehr bewirtschaftet wurden.“
Mit zwei Jungtieren begann die Familie ihre Hobby-Rinderzucht. „Wir waren etwas blauäugig“, gibt Katja Romer zu, fügt aber sofort an: „Wir haben schnell dazugelernt.“ Es gibt nämlich eine wesentliche Eigenschaft, die den Menschen und den Hochlandrindern zu eigen ist: Neugier. Ein normaler Zaun hält ein Hochlandrind mitnichten davon ab, eine kleine Erkundungstour zu starten. „Mir ihren Riesenhörnern laufen sie einfach zu“, berichtet Katja Romer und erinnert sich, wie ein Busfahrer nachts bei ihnen an der Türe geklingelt hat, um zu berichten, zwei Highlands stünden mitten auf der Straße. „Alle Romers sind dann mit Taschenlampe auf die Suche“, so Katja Romer. Die Tiere wurden rasch gefunden und Roland Romer erzählt von jenem unbeschreiblichen Unschuldsblick der Rinder. Und wenn die Kühe pfeifen könnten, hätten sie es wohl getan.
Auch Uranus hat die Menschen gelehrt, wie pfiffig und intelligent schottische Hochlandrinder sind. Die Weiden sind natürlich längst mit stabilen, hohen Fangzäunen ausgestattet, die für die schweren Tiere eigentlich unüberwindbar sind. Aber eben nur eigentlich. „Letztes Jahr ist er einfach drübergejuckt.“ Roland Romer schüttelt im Nachhinein noch den Kopf und fügt erklärend an: „Frühlingsgefühle. Auf der anderen Seite waren wohlduftende Mädels.“ Die Menschen haben von ihren Tieren gelernt. „Jetzt haben wir sie auch räumlich großzügig getrennt“, sagt Romer.
Die schottischen Hochlandrinder werden in ganz Oberdorf und Dingelsdorf geschätzt. Als der Ortschaftsrat jüngst über das Problem der Verbuschung und Verwaldung von Brachflächen beriet, kamen die Rinder sofort ins Gespräch und Roland Romer wurde gefragt, ob seine Tiere nicht auch dort ihre Dienste in den Naturschutz und die Kulturlandschaftspflege stellen könnten. Die friedfertigen Tiere sind allseits beliebt und angesehene Mitbürger des Ortes. „Unsere Gisi ist im ganzen Dorf bekannt. Der Musikverein hat sie damals getauft und Patenonkel Dieter Pister füttert sie regelmäßig“, erzählt Katja Romer. Gisi wird sicherlich ein langes, glückliches Leben führen, so wie die anderen Mutterkühe auch. Andere Rinder werden geschlachtet. „Sie haben ein schönes Leben und werden stressfrei geschlachtet“, sagt Patrick Romer. Aber eines geben alle Familienmitglieder zu: Zu jenen Tieren, die zur Schlachtung vorgesehen sind, versuchen sie, enge Bindungen zu vermeiden. Katja Romer diskutiert mit ihrem Mann Roland derzeit über die Zukunft von Mathilda, die nicht als Mutterkuh geeignet ist. Denn: Katja Romer hat sie vor zwei Jahren mit der Flasche aufgezogen.