Thomas Güntert

Christian und Andrea Müller bewirtschaften in der Gottmadinger Nachbargemeinde in Thayngen den rund 100 Hektar umfassenden Bauernhof Unterbuck mit Ackerbau, Bullenmast und seit neustem mit einer Biogas Tankstelle. Kürzlich wurde sie rund 50 geladenen Gästen vorgestellt.

Mit dem richtigen Instinkt und einer enormen Risikobereitschaft haben Christian und Andrea Müller den Zeitgeist getroffen.
Mit dem richtigen Instinkt und einer enormen Risikobereitschaft haben Christian und Andrea Müller den Zeitgeist getroffen. | Bild: Thomas Güntert

Biogas eignet sich als Treibstoff besonders für Lastfahrzeuge, Busse und Personenwagen und ist die nachhaltigste Mobilitätslösung, die auch größere Reichweiten erlaubt, wurde beim Pressetermin deutlich. Die Hoftankstelle wird von der eigenen Biogasanlage versorgt und soll jährlich rund 200.000 Liter Dieselkraftsoff ersetzen.

Und so funktioniert‘s

In einem geschlossenen System wird durch die Vergärung von Mist und Gülle, sowie organischen Reststoffen wie Grüngut, Altgras und Rüstabfälle landwirtschaftliches Biogas produziert, das aus rund 60 Prozent Methan und 40 Prozent Kohlendioxid besteht. Damit ein Treibstoff mit dem nötigen Methananteil von 96 Prozent entsteht, wird das Roh-Biogas gereinigt und das Kohlendioxid durch ein Membranverfahren abgetrennt.

Dann wird das Biogas auf 200 bar verdichtet und in einem Druckstufensystem gelagert. Der Unterbuckhof hat kürzlich auch einen von fünf Traktoren durch einen New Holland T 6 mit CNG-Antrieb ersetzt. Es ist der erste Biogas-Traktor, der in Serie produziert und in der Schweiz erstmals betrieblich eingesetzt wird. „Der Preis entspricht etwa einem Dieselmodell“, sagte Victor Anspach von Ökostrom Schweiz.

Beim Infoanlass der Familie Müller in Thayngen herrschte ein reger Betrieb an der Biogastankstelle.
Beim Infoanlass der Familie Müller in Thayngen herrschte ein reger Betrieb an der Biogastankstelle. | Bild: Thomas Güntert

Bei gleichen Leistungswerten verringert der Biogas-Traktor im Vergleich zum Dieselmodell etwa 30 Prozent der Betriebskosten, bis zu 95 Prozent vom Feinstaubausstoß und den Ausstoß von Stickoxiden um 35 Prozent. Zudem ist er nahezu CO² neutral. Eine Tankfüllung reicht für den Einsatz von über drei Stunden.

Bei der Familie Müller in Thayngen steht die erste Bauernhof-Biogastankstelle der Schweiz.
Bei der Familie Müller in Thayngen steht die erste Bauernhof-Biogastankstelle der Schweiz. | Bild: Thomas Güntert

An der Tankstelle, die Ende des Jahres 2021 in Betrieb gegangen ist, tanken auch ein Kehrrichtfahrzeug und 17 private Kunden. Der Preis vom Biogastreibstoff orientiert sich am Strompreis, der durch die Biogasproduktion erzielt wird.

Anspach bemerkte, dass noch eine Gasleitung von der Tankstelle zum nahen Wohngebiet gelegt wird, damit einerseits Haushalte mit Biogas versorgt werden können und andererseits die Tankstelle bei Engpässen Gas aus dem Netz beziehen kann.

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Ökostrom Schweiz hat mittlerweile sechs weitere Bauernhof-Biogastankstellenprojekte in der Schweiz geplant, die bereits im Bewilligungsverfahren sind. Die Kosten für eine solche Anlage belaufen sich zwischen 300.000 und 500.000 Franken.

In Deutschland wurde die erste Flüssiggastankstelle für Lastwagen bereits 2016 in Ulm eröffnet. Bereits im Jahr 2006 hatten Christian und Andrea Müller eine erste Vision von einer Biogasanlage. „Es war ein langer Weg, der nicht immer stolperfrei war“, sagte Andrea Müller.

Das Herzstück der Biogastankstelle ist die Aufbereitungsanlage, die in einem Container untergebracht ist.
Das Herzstück der Biogastankstelle ist die Aufbereitungsanlage, die in einem Container untergebracht ist. | Bild: Thomas Güntert

Im Jahr 2012 wurde die Müller Energie GmbH gegründet, ein Wärmeverbund mit zwei Kilometer Wärmeleitungen verlegt und die Holzschnitzelheizung in Betrieb genommen. Ein Jahr später wurden 1200 Quadratmeter Dachfläche mit Photovoltaik-Panels bestückt, die jährlich rund 200.000 Kilowattstunden an Strom produzieren. 2014 ging die Biogasanlage in Betrieb. „Sieben Jahre Bewilligungszeit für ein nachhaltiges Projekt sind sechseinhalb Jahre zu viel“, sagte Müller.

In der Gottmadingwer Nachabrgemeinde Thayngen wird aus Mist, Gülle und organischen Abfällen Strom, Wärme und Treibstoff produziert.
In der Gottmadingwer Nachabrgemeinde Thayngen wird aus Mist, Gülle und organischen Abfällen Strom, Wärme und Treibstoff produziert. | Bild: Thomas Güntert

Die Biogasanlage produziert jährlich über zwei Millionen Kilowattstunden Strom, der für rund 600 Haushalte ausreicht. Mit der Abwärme werden 270 Wohneinheiten, ein Schulhaus und vier Gewerbebetriebe versorgt und mit dem Gärrest jährlich noch etwa 200 Tonnen Kunstdünger eingespart.

„Dass wir mit unserer Tankstelle und dem ganzen Energiebetrieb den Zeitgeist so treffen, hätten vor ein paar Jahren niemand gedacht. Unser Instinkt für gute Projekte in Kombination mit einer großen Risikobereitschaft hat sich als richtig erwiesen oder einfach gesagt, wir haben Glück gehabt“, sagte Andrea Müller.

Schweizer verbrauchen mehr Biogas, als sie produzieren

Hans Christian Angele vom Verband der Schweizer Gasindustrie bemerkte, dass die Schweiz etwa viermal so viel Biogas verbraucht, wie sie selbst produziert und auf Importe angewiesen ist. Er zeigte sich erstaunt, dass die Politik sich bis jetzt geweigert hat, Biogas zu fördern und bemerkte, dass der Biogasförderfonds in der Schweiz die einzige Fördermaßnahme für Biogas ist. „Die Bauern sind prädestiniert für die Energieproduktion, sie haben die Rohstoffe dazu“, sagte Stefan Mutzner von Ökostrom Schweiz.

Um den Status Landwirtschaftliche Biogasanlage zu erhalten, dürfen in der Schweiz aber nur Substrate verwertet werden, die nicht als Nahrungs- oder Futtermittel gebraucht werden können. In der Schweiz werden nur etwa vier Prozent der Biomasse energetisch genutzt, obwohl bei einer optimalen Ausnutzung bis 15 Prozent der Gasimporte ersetzt werden könnten.

Der SVP-Nationalrat und Zürcher Landwirtschaftsverbandspräsident Martin Haab bemerkte, dass die Coronakrise und der Ukrainekrieg verdeutlicht haben, dass die Landwirtschaft mit der Nahrungsmittel- und der Energieproduktion in zweierlei Hinsicht systemrelevant ist.

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