Die Firma Fahr gehört zu Gottmadingen wie die Alu zu Singen. Auch wenn es sie nicht mehr gibt. So ist es nicht verwunderlich, dass man nach dem Firmengründer Johann Georg Fahr eine Straße benannt hat. Besonders in den frühen 1960er Jahren expandierte die Firma stark und stellte auch Gastarbeiter ein. Doch dann ging es langsam abwärts. Georg Ruf hat sein gesamtes Berufsleben bei der Fahr verbracht und den Niedergang hautnah miterlebt.

Für das Gespräch mit dem SÜDKURIER hat Georg Ruf seinen roten Traktor aus der Garage geholt. Vor rund 20 Jahren hat er den Fahr D130, Baujahr 1955, gekauft und führt diesen ein paar Mal im Jahr aus. Zum Beispiel fürs Holz machen oder zur Teilnahme an den Fahr-Schleppertreffen in Schienen oder Ehingen. Als der rote Traktor gebaut wurde, war Georg Ruf gerade mal elf Jahre alt. Mit 15 Jahren begann Ruf im April 1959 eine Lehre als Maschinenschlosser bei der Fahr. Über die Abendschule machte er später den Maschinenbautechniker. Bei der Fahr ist er sein ganzes Berufsleben geblieben, bis er im Jahr 2002 – damals hieß die Firma schon Kverneland – als Vorruheständler ausscheiden konnte.

Großer Arbeitgeber für die Region

"Wo heute die Firma Constellium ist, dieses Gelände wurde früher rotes Meer genannt", erzählt Ruf. Dort standen einst nämlich Hunderte roter Traktoren, die im Winter produziert wurden und auf die Saison warteten, wenn die Landwirte sie dann brauchten. Schon sein Vater hatte bei der Fahr gearbeitet und die Häuser in der Brotlaube, wo er geboren ist und auch heute noch wohnt, waren von "Fahrianern" in den 1930 er Jahren gebaut worden. Vom Randen und auch von Engen kamen damals zig Busse mit Arbeitern täglich nach Gottmadingen.

Was nach der Ära Fahr geschah

Doch ab Ende der 1960er Jahre ging es abwärts mit der Fahr. Um 1990 hatte die L-Bank die Liegenschaften dann erworben und die Hallen wurden vermarktet. Heute sind dort viele Kleinunternehmen ansässig. Georg Ruf hat den Niedergang der Fahr und was danach auf dem Gelände passierte, nicht nur aus der Sicht eines Mitarbeiters erlebt. Seit 1989 ist er für die SPD im Gemeinderat und hat die Entwicklung im Industriepark Gottmadingen (IPG) mit begleitet. In den 1990 er Jahren wurde der ehemalige Fertigungsstandort der Fahr saniert und modernisiert. Dort gibt es in einer Vielzahl von Gebäuden maßgeschneiderte Büro-, Gewerbe- und Logistikflächen, die die Gemeinde zusammen mit beauftragten Unternehmen vermarktet. "Insgesamt haben wir dort einen guten Branchenmix aus Gewerbe, Industrie, Handwerk und Dienstleistungen", sagt der Wirtschafsförderer Thomas Schleicher. Auch mit den Partnern im IPG finde regelmäßig ein Austausch statt.

Im März 2017 hatte Constellium bekannt gegeben, sein Werk in Gottmadingen mit einer neuen Halle zu erweitern. Diese ist momentan im Bau. Am Standort sollen Strukturkomponenten für Batteriegehäuse von Elektrofahrzeugen hergestellt werden. Durch die Erweiterung entstehen 65 neue Arbeitsplätze.

Fahr-Museum mit 2000 Unterstützern

Damit das Erbe der Fahr-Landmaschinenfabrik nicht in Vergessenheit gerät, haben die Fahr-Schlepperfreunde ein Fahr-Museum in der Carl-Benz-Straße 9 eingerichtet. Der Verein, 1988 gegründet, trifft sich monatlich mit rund 50 bis 70 Teilnehmern. Rund 2000 Menschen unterstützen seine Arbeit. Die Aktiven möchten die Geschichte der Landtechnik nahebringen und sind auch Ansprechpartner für Ersatzteile Die Ausstellung in der 1250 Quadratmeter großen Halle ist nur in den Sommermonaten samstags geöffnet. Führungen sind nach Absprache möglich.

Informationen unter:
http://www.fahr-schlepper-freunde.de

Eine Chronologie: Von der Firma Fahr bis zum Industriepark Gottmadingen (IPG)

  • 1870 Johann Georg Fahr gründet die Firma Fahr in Gottmadingen.
  • 1875 Fahr beginnt Landmaschinen für den Export anzubieten.
  • 1892 entsteht mit der Eisengießerei das erste Zweigwerk in Stockach.
  • 1911 der Familienbetreib wird zur Aktiengesellschaft umgewandelt.
  • 1938 startet die Traktorenproduktion mit dem F22. Auch die Mähdrescherentwicklung wird aufgenommen. Fahr beschäftigt 3000 Mitarbeiter.
  • 1943 während der letzten Kriegsjahre muss auch bei Fahr umgestellt werden: Die Hälfte des Betriebes wird zur Rüstungsproduktion genutzt.
  • 1946 Nach dem Krieg sind noch 1300 Mitarbeiter damit beschäftigt, das am Boden liegende Unternehmen wieder aufzubauen.
  • 1951 zeigt Fahr in Hamburg den ersten deutschen Selbstfahrmähdrescher.
  • 1952 wird die Fahr-Argentina in Buenos Aires gegründet.
  • 1955 wird das Farmobil vorgestellt, von dem bis 1966 etwa 1000 Stück produziert wurden.
  • 1961 beginnt der Ausverkauf: Die Deutz AG übernimmt 25 Prozent des Aktienkapitals von Fahr.
  • 1968 erwirbt Deutz die Mehrheit der Fahr-Aktien, sieben Jahre später wird Fahr vollständig in den Klöckner-Humboldt-Deutz-Konzern eingegliedert.
  • 1988 wird das Werk in Gottmadingen vom niederländischen Landmaschinenhersteller Greenland übernommen, der den Betrieb an Konzern Kverneland später weiterverkauft.
  • 2006 wird die Produktionsstätte in Gottmadingen geschlossen. Am Standort verbleibt das sogenannte Kverneland-Kompetenzzentrum.
  • 2007 bekommt die Idee mit dem Niedergang geborene Idee des Industrieparks Gottmadingen Rückenwind mit der L-Bank als Partner. Bernhard Gersbacher gelingt als Verwalter und Wirtschaftsförderer die Konversion. Größter Erfolg ist zu Beginn die Ansiedelung der Aluminium-Industrie. Aus zwei Werkshallen wurden inzwischen fünf Constellium-Anlagen.
  • 2008 die GBT Halverton stellt als Eigentümervertreter im Gottmadinger Industriepark Henning Heinemann aus Frankfurt als neuen Niederlassungsleiter vor.
  • 2009 bekommt der langjährige IPG-Chef Bernhard Gersbacher die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg überreicht. (sk)