Einige Landwirte im Hegau fahren nun die erste Ernte ein, die sie schon vor Monaten gepflanzt haben. Die Rede ist nicht nur von gesäten Pflanzen, sondern von einer Projektidee: Urdinkel-Mehl aus dem Hegau. Bislang haben lokale Produzenten ihren Dinkel vor allem an größere Händler verkauft, jetzt wird das Projekt Hegaukorn konkret und es gibt die ersten Mehlsäcke bei der Steigmühle in Engen zu kaufen.
„Wir wollen die Produkte aus der Anonymität holen“, sagt Rainer Grimminger. Er ist Regionalmanager der Bio-Musterregion Bodensee beim Landratsamt Konstanz und will dazu beitragen, dass Bio-Produkte aus der Region in aller Munde sind. Das Urdinkel-Mehl sei dabei erst der Anfang: „Zusätzlich zum hellen Bio-Urdinkelmehl und Schrot haben wir jetzt auch ein Bio-Urdinkel-Vollkornmehl.“
Drei Ziele für eine Region: Für mehr Bio vom Bodensee
Biologisch, regional und transparent. Das sind die erklärten Ziele des Hegaukorns gemäß der Leitlinien der Bio-Musterregion Bodensee. „Für Mehr Bio vom Bodensee durch Tradition und Innovation!“ lautet das Motto der Initiative, die vom Landesministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz gefördert wird. 2018 wurden die ersten vier Bio-Musterregionen erklärt, seit 2019 sind auch der Bodenseekreis und Landkreis Konstanz als gemeinsame Region dabei. Um Nachhaltigkeit komme man nicht herum, ist Rainer Grimminger überzeugt. „Das sind Themen, die dem Kunden immer wichtiger sind.“
Die Resonanz auf das Hegaukorn bestätige das: „Es kommen gezielt Kunden, die nach dem Hegaukorn fragen“, schildert Rainer Grimminger die Erfahrungen von Müllerin Karin Leiber. Seit wenigen Wochen gibt es das Urdinkel-Mehl in der Steigmühle in Engen zu kaufen, künftig soll es auch weitere Verkaufsstellen geben.

Der Regionalmanager erklärt, warum Dinkel den Anfang macht
Schon bei der Projektidee zur Bio-Musterregion habe Mehl eine Rolle gespielt, sagt Grimminger. Als er mit Landwirten und Müllerin Karin Leiber wegen Bio-Braugerste zusammen gesessen habe, habe es nahe gelegen, nun auch dieses Grundnahrungsmittel anzugehen. Dinkel sei im Bio-Bereich bei Produzenten wie Verbrauchern sehr beliebt und gut verträglich, begründet Grimminger diese Wahl.
Verbraucher können beim Hegaukorn schon auf den ersten Blick erkennen, wo es herkommt: Eine Grafik zeigt sowohl die Landwirte als auch ihren Standort. Das ist die Transparenz, die für Grimminger so wichtig ist. „Man versucht, die Wege kurz zu halten“, erklärt Grimminger den weiteren Punkt der Regionalität. Die Produkte sollen nicht nur im Hegau produziert, sondern auch verarbeitet und vermarktet werden.

Nächster Schritt sind mehr lokale Handelspartner
„Es wäre schön, wenn Hegaukorn eine etablierte Marke wird“, sagt Grimminger. Den Namen Hegaukorn haben die Beteiligten im März verkündet, Wort- und Bildmarke seien noch im Entstehen. Und auch weitere Produkte seien denkbar. Als nächster Schritt seien aber erstmal weitere Partner wie Bäcker, Gastronomen und Lebensmitteleinzelhändler angedacht.
„Das Thema Bio war für die Landwirte nicht neu“, sagt Grimminger, denn sie waren bereits zertifiziert oder sind wie Christoph Schmal auf dem Weg dahin. Der Agraringenieur leitet den Waldhof in Mühlhausen und erklärt, warum er sich an dem Projekt beteiligt: Produkte aus der Region für die Region zu produzieren und zu vermarkten, sei im Sinne einer biologischen Landwirtschaft. Und für die hat er sich bewusst entschieden, sein Hof ist derzeit in der Umstellung von konventionell auf Bio. Deshalb findet sich sein Dinkel erst mit der nächsten Ernte im Hegaukorn.

Ein Landwirt erklärt seine Motivation und warum er auf Bio setzt
Doch er wolle auch Aufklärungsarbeit leisten und den Unterschied zwischen biologisch und konventionell produzierten Lebensmitteln erklären: Bio kostet Stahl und Diesel. An diesem häufig geäußerten Spruch sei etwas dran, sagt Christoph Schmal, denn er müsse den Boden nun häufiger mechanisch bearbeiten. Außerdem werde darauf geachtet, weitere Fruchtfolgen anzubauen. „Das heißt, dass eine bestimmte Kultur nur in sehr großen zeitlichen Abständen auf einem Acker angebaut wird.“ Pflanzenschutz benötigen seine Äpfel aber auch, allerdings nur mit für den biologischen Anbau zugelassenen Mitteln wie Schwefel.
Seine Äpfel machen Hoffnung für das Mehlprojekt: Viele Menschen seien auf den Geschmack gekommen
Apropos Äpfel: Die würde er bereits komplett regional vertreiben, an Firmenkunden und Schulen liefern. Eine ähnliche Entwicklung wünscht er sich für das Hegaukorn. „Mit dem Getreide werden wir hoffentlich auch einen recht großen Teil erreichen, der direkt in der Region genutzt wird.“ Zweifel hat er daran nicht: Viele Menschen seien wieder auf den Geschmack von regionalen Produkten gekommen und würden hinterfragen, wie sehr günstige Preise entstehen können. „Das ist eine gute Tendenz“, findet er, „für die Landwirtschaft und für die Gesellschaft.“