Kaum noch Schnee, schwankende Temperaturen und Frühling ab Februar – das sind Anzeichen, dass der Klimawandel die Bodenseeregion erreicht hat. Genau deshalb wollen die vier Gründer von Local Zero Überlingen etwas tun. Ihr Ziel: Klimaneutralität in Überlingen bis 2035. Mehr noch: Ein konkretes Klimaschutzkonzept, das die Stadtverwaltung dazu verpflichtet.

Die Gruppe besteht aus Leon Beck (Produktdesigner, 26 Jahre), Klaus Woerner (Architekt, 62 Jahre), Irene Alpes (Rentnerin, 65 Jahre) und Tim Günther (Rentner, 77 Jahre). Sie haben sich in der Überlinger Klimawerkstatt Ende Januar zusammengefunden und wollen gemeinsam die Klimapolitik Überlingens mitgestalten. „Wir sind voller Elan, etwas zu machen“, sagt Alpes.

Erfahrene treffen auf Neueinsteiger

Die Mitglieder Alpes und Günther sind bereits seit Jahren im lokalen Klimaschutz aktiv. Erfahrung hat auch Leon Beck: Er hat in Friedrichshafen eine ähnliche Klimaschutzgruppe mitgegründet und gehörte zu den Initiatoren der Gruppe Klimaplan Markdorf. Dort fasste der Gemeinderat im April 2021 nach Bemühungen der Gruppe einen Beschluss, dass die Stadtverwaltung bis 2030 und die Gesamtstadt 2035 klimaneutral werden.

Leon Beck hat bereits mehrere Klimaschutz-Initiativen im Bodenseekreis mitgegründet.
Leon Beck hat bereits mehrere Klimaschutz-Initiativen im Bodenseekreis mitgegründet. | Bild: Cian Hartung

Weniger Erfahrung auf dem Gebiet hat dagegen Klaus Woerner, er ist aber hochmotiviert: „Wir sind in einer globalen Notlage und haben wichtige Zeit im Kampf gegen den Klimawandel verloren“, sagt er. „Es ist seit Jahren viel zu wenig passiert – das müssen wir ändern!“

Klimaneutralität – wie soll das gehen?

Die Überlinger Klimaschützer orientieren sich an dem Leitfaden des Netzwerks Local Zero. Das Ziel ist es, dass die Stadt Überlingen ein Klimaschutzkonzept mit konkretem Zieldatum und Zwischenzielen beschließt. Der Vorteil an diesem Ansatz liege auf der Hand, so Alpes. „Damit können wir der Stadt immer auf die Finger schauen.“

Im Falle Überlingen haben Stadt und Bürger bei der Klimawerkstatt Ende Januar bereits begonnen, ein solches Klimaschutzkonzept zu erarbeiten. Dieses soll im November im Gemeinderat beschlossen werden, nachdem es im September nochmals mit den Bürgern diskutiert wird. Diese Entwicklung wollen die Klimaschützer kritisch begleiten. Klaus Woerner unterstreicht: „Wir sind aber kein paralleles Programm dazu, sondern wollen das unterstützen.“

Sie suchen nach Mitstreitern

Was sie darüber hinaus als Gruppe machen wollen, ist noch nicht festgelegt. Das sei aber kein Problem, heißt es von den Mitgliedern. Wie es auf der Webseite von Local Zero steht, sollen sich Interessierte im ersten Schritt zur Gründung finden. Im nächsten Schritt veranstalten sie am 7. März um 18 Uhr ein Online-Meeting, wo sie mit potenziellen Mitstreitern das weitere Vorgehen diskutieren.

Ihre eigene Instagram-Seite soll zudem dabei helfen, lokale Klimaschützer für sich zu begeistern. Es sollen weitere Treffen und Workshops folgen.

Was ist, wenn die Stadt sich nicht an den Plan hält?

Der Ansatz von Local-Zero-Gruppen funktioniert grundsätzlich nur, wenn sich Kommunen an das selbst beschlossene Klimakonzept halten. Wie das Beispiel Markdorf zeigt, ist das aber schwieriger als gedacht. Dort sorgt der Zukunftsplan im Gemeinderat bereits für Streit. Was ist also, wenn sich die Stadt Überlingen gar nicht erst an die Ziele hält? „Davor sind wir nicht gefeit“, sagt Woerner. Wichtig seien aber Zieldatum und Zwischenziele, betont er. „Denn ohne Ziel entziehe ich mich jeglicher Kritik.“

Klaus Woerner will die Klimapolitik seiner Heimatstadt mitgestalten.
Klaus Woerner will die Klimapolitik seiner Heimatstadt mitgestalten. | Bild: Cian Hartung

Und was gibt den vier Aktivisten Hoffnung? „Es ist gut zu wissen, dass ich bei dem Thema nicht allein bin“, sagt Alpes. Günther meint dagegen: „Es hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan – und da machen wir jetzt weiter.“ Leon Beck erklärt: „Es macht mir Hoffnung, dass wir die Zukunft mitgestalten können. Wenn wir nicht gestalten, gestalten andere.“

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Chef der Umwelthilfe: „Wenn keiner etwas versucht, passiert nichts“

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sieht die Gründung lokaler Local-Zero-Gruppen positiv. „Was wir brauchen ist, viel mehr Engagement aus der Bevölkerung und ehrgeizige Ziele“, sagt er. Neugründungen dieser Art hätten den Vorteil, dass sie Einsteigern einen Zugang zum lokalen Klimaschutz bieten. „Ich sehe es als Bereicherung und auch nicht als Konkurrenz gegenüber anderen Gruppen wie BUND oder Nabu“, sagt Resch.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, vor dem Rathaus von Überlingen.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, vor dem Rathaus von Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Ob sich Kommunen an die verfassten Ziele halten, sei zwar unklar. Mit einem Klimaentscheid bestehe für Öffentlichkeit und Medien aber die Möglichkeit, auf diese Ziele kritisch hinzuweisen und daran zu erinnern. Außerdem gebe es die Möglichkeit zu klagen – sollte eine Kommune die selbst gesteckten Ziele systematisch ignorieren. Natürlich sei bei jeder Gründung unklar, was dabei herauskomme, sagt der 63-Jährige. „Aber wenn keiner etwas versucht, passiert auch nichts.“

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