Vor drei Jahren war die Aufregung in Überlingen groß, als Mitarbeiter des Grünflächenamts gemeinsam mit dem Allgäuer Motorsägenschnitzprofi Ricardo Villacis aus mehreren Baumstümpfen eines abgestorbenen Riesenlebensbaums ein Figurenensemble rund um Gandalf schuf, den grauen Bartträger aus „Herr der Ringe“. Was als kleiner Zauberwald am Eingang zum Stadtgarten gedacht war, zog schnell den Zorn von Kunstexperten auf sich und führte zu kontroversen Bewertungen bei Bürgern und zu Grundsatzdiskussionen in den Gemeinderatsgremien: Was ist Kunst? Muss alles gleich Kunst sein? Für die Überlinger Kunsthistorikerin Monika Spiller war das Ensemble eine Zumutung, die frühere Stadträtin Ulrike Schweizer erkannte darin einen wunderbaren kleinen Märchenwald.
Über Kunst lässt sich trefflich debattieren
Ist das Kunst oder kann das weg? Nicht erst seit der Hausmeister der Düsseldorfer Kunstakademie die Butter von Joseph Beuys als massiven Fettfleck weggewischt und ihr damit zu Berühmtheit verholfen hat, stellt sich diese Frage. Mit dem Begriff Kunst hat sich Yasmina Reza in ihrem berühmtesten gleichnamigen Theaterstück komödiantisch auseinandergesetzt und drei Freunde über die künstlerischen Dimensionen und das richtige Aufhängen einer weißen Farbfläche streiten lassen – zum Vergnügen ihrer Zuschauer.

Für den Überlinger Kulturreferenten Michael Brunner handelte es sich bei Gandalf und Co. um die „Nachahmung klischeehafter Motive aus der Trivialkultur“, wie er in der Diskussion im Mai 2019 erklärte. Die Kettensägekunst könne einem Jakob Russ (Ratssaal), Jörg Zürn (Hochaltar) oder Victor Mezger doch nicht das Wasser reichen. Oberbürgermeister Jan Zeitler wollte die Figuren zumindest bis nach der Landesgartenschau belassen und dann einen anderen, weniger exponierten Standort suchen. Doch der Ausschuss zeigte sich großzügiger und hielt eine Befristung für nicht erforderlich.
So stehen die Figuren heute noch
So stehen die Figuren heute noch – und sind offensichtlich beliebt. Die unterschiedlichen Positionen gibt es allerdings, je nach Perspektive, nach wie vor. „Mir persönlich gefällt das nicht“, räumt Joanna Klakla, Leiterin der Sektion Bildende Kunst beim Internationalen Bodenseeclub (IBC), offen ein. Beate Filipp hingegen, die Erzieherin und frühere Leiterin des Kinderhauses Burger, findet das Werk toll, wie sie sagt. Sie hat auch die Begeisterung bei Kindern wahrgenommen.
Bei den LGS-Besuchern war Gandalf der Hingucker
Doch nicht nur die lieben Kleinen rennen schnell auf die Figurengruppe zu. Auch bei erwachsenen Besuchern der Landesgartenschau war der Eingang zum Stadtgarten sogar mehr als ein Hingucker. Wer die Passanten zwischen Bahnhofstraße und Stadtgraben beobachtete, sah, dass nahezu jeder Besucher stehen blieb und gefühlt jeder zweite das einladende Fotomotiv mit Gandalf nutzte, um sich an dem vorbereiteten Sitzplatz ablichten zu lassen. Das wird wohl auch so lange so sein, bis die Mikroorganismen aus den Figuren Totholz gemacht haben. Und wenn der Holzwurm sie nicht kleinkriegt, dann stehen sie noch bei der nächsten Gartenschau.